15.04.2024

Deutschland: Kontroverse Reaktionen zum Selbstbestimmungsgesetz

Theologisch Konservative kritisieren die Missachtung der Schöpfungsordnung

Berlin (IDEA) – Das am 12. April vom Deutschen Bundestag verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz hat in kirchlichen Kreisen kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Zum Hintergrund: Das neue Gesetz ermöglicht es künftig, jährlich Geschlechtseinträge und Vornamen per Erklärung gegenüber dem Standesamt zu ändern. Auch für Minderjährige ist das möglich. Für unter 14-Jährige kann aber nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben, über 14-Jährige können dies mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters tun. Sollte dieser nicht zustimmen, kann das Familiengericht die Zustimmung ersetzen, „wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht“, so das Gesetz. Der theologisch konservative Arbeitskreis Bekennender Christen in Bayern (ABC/Lohr am Main) beklagt in einer Stellungnahme, dass das neue Gesetz „biologische Gegebenheiten“ missachte. Der ABC bestreite zwar nicht, dass es Menschen gebe, die an ihrem biologischen Geschlecht litten. „Als problematisch empfinden wir aber, dass die Geschlechtlichkeit mit dem neuen Gesetz scheinbar in das Belieben jedes und jeder Einzelnen gestellt wird und dass damit die gute Schöpfungsordnung Gottes infrage gestellt wird.“ Zudem bedauert der Arbeitskreis, dass sich die Kirchen kaum an der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz beteiligt hätten. Ausnahme sei ein Beitrag des katholischen Passauer Bischofs Stefan Oster gewesen. Biblisch-theologische Argumente hätten in den Voten und Diskussionsbeiträgen fast keine Rolle gespielt. Zur Aufgabe der Kirche gehöre es nicht nur, ihr Mitgefühl mit Menschen auszudrücken, „sondern den Willen Gottes und die Möglichkeiten von Veränderung und Selbstannahme im Glauben aufzuzeigen“. Der ABC verweist außerdem darauf, „dass Menschen, die sich zunächst als trans empfunden haben, durch die Begegnung mit Christus ihr zunächst als irritierend empfundenes Geschlecht annehmen konnten. Dies ist wohlgemerkt kein Rezept, sondern Gnade.“

Lutherischer Konvent: Folge der Entchristlichung

Der Vorsitzende des Lutherischen Konvents im Rheinland, Pfarrer i. R. Winfrid Krause (Buggingen), kritisierte nach einer Mitteilung, dass durch das neue Gesetz „der bisher selbstverständliche Schutz von Frauen und Kindern in sensiblen Bereichen (Toiletten, Duschen, Schwimmbäder, Saunen, Umkleidekabinen, Frauenhäuser) praktisch abgeschafft“ werde. Jeder männliche Sexualtriebtäter könne sich einfach zur Frau erklären und habe dann das Recht, „in solche Schutzzonen einzudringen, seinen Voyeurismus aufdringlich auszuleben oder gar sexuelle Missbrauchsgewalt auszuüben“. Es bleibe zu hoffen, daß dieses mehrfach gegen das Grundgesetz verstoßende Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht gebracht und verworfen werde. Seit die Christen in Deutschland und Europa zu einer gesellschaftlichen Minderheit geworden seien, gingen bisher selbstverständliche, kulturell prägende biblische Vorgaben und Orientierungen im demokratisch gesetzten staatlichen Recht mehr und mehr verloren, so Krause. Sowohl die Abtreibung ungeborener Kinder als auch der assistierte Suizid Sterbewilliger und jetzt auch geschlechtsumwandelnde Operationen an Minderjährigen und Erwachsenen seien sehr gewaltsame, das Wesen und die Würde des Menschen erheblich verletzende Eingriffe in die Natur. „Man wundert sich, daß eine einst für den Natur- und Umweltschutz gegründete Partei wie die Grünen heute solche ideologischen Perversionen betreibt. Aber ohne den Glauben an den Schöpfer der Natur und des Menschen sind solche – aus der Geschichte des Marxismus bekannten – tödlichen politischen Widersprüche wohl unvermeidlich. Sie sollten in einer freien Gesellschaft aber nicht unwidersprochen bleiben, sondern im Namen der Vernunft entschlossen bekämpft werden.“

Evangelische Frauen begrüßen das Gesetz

Die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD/Hannover) begrüßen das neue Gesetz hingegen. Deren Vorsitzende, Pfarrerin Angelika Weigt-Blätgen, erklärte laut einer Mitteilung, dass die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes einen „theologisch wie menschenrechtlich“ gebotenen Schritt darstelle. Er markiere „einen Paradigmenwechsel von der medizinischen Pathologisierung hin zur Selbstbestimmung von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen“. Die stellvertretende Vorsitzende der EFiD, Susanne Kahl-Passoth, bezeichnete das Gesetz als „Meilenstein“ im „Kampf gegen Diskriminierung und für eine inklusive Gesellschaft“. Die EFiD betrachten zudem die Streichung der ursprünglich vorgesehenen Regelung, bei einem Wechsel des Geschlechtseintrags die Daten automatisch an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben, als Stärkung der Rechte und des Schutzes der betroffenen Personen. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen), hatte am 12. April in der Plenardebatte darauf hingewiesen, dass die EFiD sowie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK/Berlin) das Gesetz befürworteten.