18.04.2024

Nigeria: Vorwurf - Nigerias Regierung tut zu wenig gegen Entführungen

Menschenrechtler: Der Westen trägt eine große Mitschuld

Abuja (IDEA) – Der Menschenrechtsaktivist und Pastor Gideon Para-Mallam (Abuja) hat den nigerianischen Präsidenten Bola Ahmed Tinubu angesichts der vielen entführten christlichen Schülerinnen zum Handeln aufgerufen und die internationale Gemeinschaft für ihr Wegsehen verurteilt. Auf dem Nachrichtenkanal X (ehemals Twitter) schrieb Para-Mallam anlässlich des zehnten Jahrestages der Entführung von 276 Chibok-Mädchen in Nigeria: „48 Eltern sind beim Kampf für ihre Töchter gestorben. 82 Chibok-Mädchen werden noch immer festgehalten. Müssen wir noch mehr Todesfälle erleben, damit die restlichen Mädchen ihre Freiheit bekommen?“ Zum Hintergrund: Am 15. April 2014 hatte die radikalislamische Terrororganisation Boko Haram 276 Mädchen zwischen zwölf und 16 Jahren aus einer Realschule in Chibok (Bundesstaat Borno) entführt. Para-Mallam kennt einige der befreiten Mädchen. Manche seien derzeit nicht bereit, über ihr Erlebtes zu reden. Um ihre Töchter zu schützen, gebe es eine Vereinigung betroffener Chibok-Eltern. Sie setze sich dafür ein, dass die Mädchen im Moment nicht mit der Presse oder anderen Personen sprechen.

Bürger müssen Schutz der Schulen selbst in die Hand nehmen

Wie der Menschenrechtler auf Nachfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA erklärte, ist der Nordwesten Nigerias zum Epizentrum der Massenentführungen geworden. Die letzten Entführungen seien erst im Februar und März 2024 gewesen. „Diese anhaltenden Massenentführungen deuten darauf hin, dass die Regierung ihrer Verantwortung, einige ihrer Bürger, insbesondere unschuldige Schulmädchen, zu schützen, nicht nachgekommen ist“, so der Geistliche. Aus seiner Sicht ist es daher nicht ratsam, die Dinge allein in den Händen der Regierung zu belassen. Stattdessen rät er: „Die Schulbehörden und die Bürger Nigerias müssen sich erheben und unsere Schulen sichern. Darin liegt die Zukunft einer Nation.“ Laut Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF wurden in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1.680 Kinder entführt. 180 kamen bei Angriffen auf Schulen ums Leben.

Internationale Gemeinschaft schaut weg

Para-Mallam weiter: „Leider muss ich sagen, dass die internationale Gemeinschaft durch ihre Nachlässigkeit und ihr Wegschauen mitschuldig ist.“ Die Regierungen in den Hauptstädten Europas, aber auch die in Washington, Peking und Moskau hätten nicht genug getan, um sowohl die nigerianische Regierung zur Verantwortung zu ziehen als auch den Bürgern direkte Unterstützung für deren Schutz anzubieten. Damit würden auch automatisch die Schulen gesichert, so Para-Mallam. „Ich denke, dass Geschäftsinteressen und billiges Öl dem Westen mehr Sorgen bereiten als das Leben der Nigerianer.“ Der Westen dulde in Nigeria und Afrika, was er in Europa oder Amerika niemals dulden könne. Para-Mallam kritisierte ferner, dass der religiöse Aspekt als wesentlicher Grund für die Massenentführungen nicht gesehen werde. Er setze sich sowohl für Christen als auch für Muslime ein, aber Tatsache sei nun einmal, dass es vornehmlich christliche Mädchen treffe. Die wenigen entführten Musliminnen kämen in der Regel relativ schnell frei. Die christlichen Mädchen hingegen seien täglich in den Lagern der Terroristen sexueller Gewalt und Missbrauch ausgesetzt. Im Weltverfolgungsindex der christlichen Organisation Open Doors liegt Nigeria auf Rang sechs. Von den knapp 230 Millionen Einwohnern des Landes sind jeweils rund 46 Prozent Kirchenmitglieder oder Muslime.