22.04.2024

Deutschland: Kongress gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung

Schönblick: Experten fordern Sexkaufverbot in Deutschland

Schwäbisch Gmünd (IDEA) – Auf dem zweiten Kongress „Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“ haben sich Experten aus Politik, Diakonie, Kirche und Strafverfolgung für ein Sexkaufverbot in Deutschland ausgesprochen. Der Kongress findet vom 21. bis 24. April im Christlichen Gästezentrum Württemberg „Schönblick“ in Schwäbisch Gmünd statt. 365 Menschen nehmen daran teil. Hintergrund: In den vergangenen Jahren haben Länder wie Frankreich, Schweden, Norwegen, Kanada und Israel ein Sexkaufverbot eingeführt (sogenanntes „Nordisches Modell“). Danach ist der Kauf von sexuellen Dienstleistungen verboten. Bei Verstößen werden nicht die Prostituierten bestraft, sondern die Freier.

Mack: Legalisierung von Prostitution war ein Fehler

Die Professorin für Christliche Sozialwissenschaft und Christliche Sozialethik an der Universität Erfurt, Elke Mack, stellte in einem per Liveschaltung übertragenen Vortrag ihre Untersuchung „Sexkauf: Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“ vor. Darin sagte sie, die Legalisierung von Prostitution in Deutschland habe zu fundamentalen Grundrechtsverletzungen geführt. Hintergrund: Am 1. Januar 2002 trat das Prostitutionsgesetz in Deutschland in Kraft. Demnach ist Prostitution nicht mehr sittenwidrig. Es sei ein Fehler gewesen, Prostitution zu legalisieren, erklärte Mack. Für Menschen in der Prostitution könne der Staat keine Grundrechte garantieren. Prostituierte unterlägen körperlicher und sexueller Fremdbestimmung. „Gerade einer Gesellschaft, die sexuelle Selbstbestimmung so hochhält, sollte deutlich werden, dass wir hier eine Duldung sexuelle Ausbeutung durch den Gesetzgeber im höchsten Maße erleben“, so Mack.

Noller: Uneinigkeit in Landeskirche und Diakonie

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker betonte, dass gesetzliche Änderungen notwendig seien, um der Prostitution entgegenzuwirken. Sie erhoffe sich von dem Kongress Impulse für die Formulierung eines Gesetzentwurfs, der dem Bundestag vorgelegt werden könne. Die Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg und Mitglied des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Prof. Annette Noller, sagte, Kirche und Diakonie seien in der Frage eines Sexkaufverbots uneinig: Während die württembergische Landeskirche es befürworte, stelle die Diakonie sich „noch auf die Seite des Prostitutionsgesetzes“. Die Begründung dafür sei, dass den Frauen die Selbstbestimmung wichtig sei. Sie selbst befürworte ein Sexkaufverbot, weil in dieser Frage die Vulnerabilität (Verletzbarkeit) von Frauen höher bewertet werden müsse als ihre Selbstbestimmung.

Gehring: Blickwechsel notwendig

Der ehemalige Kriminalbeamte und CDU-Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg, Christian Gehring, kritisierte, der Bundestag debattiere über Geschlechtsänderungen, schaue aber bei Prostituierten weg. Auch die Gesellschaft brauche einen Blickwechsel: „Es kann nicht sein, dass der Fußballclub oder Junggesellenabschied ins Bordell geht.“ Der ehemalige Kriminaloberrat Helmut Sporer berichtete von Ermittlungen im Rotlichtmilieu. Er habe erlebt, dass Gruppen aus dem Ausland nach Deutschland anreisten, um sogenannte Pauschal-Bordell-Reisen in Anspruch zu nehmen. Deutschland sei das Bordell Europas geworden – wenn nicht sogar der Welt. Die Frauen in den Bordellen, die überwiegend aus dem Ausland stammten, seien den Freiern schutzlos ausgeliefert. Sie könnten oft kein Deutsch und wüssten nicht einmal, in welcher Stadt sie sich befinden. Ferner beklagte Sporer die mangelnde personelle Ausstattung bei Polizei und Justiz bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Es handle sich dabei um „die vergessene Kriminalität“. Sporer betonte: „Die Frauen können nicht in der Prostitution geschützt werden, sondern nur vor der Prostitution.“ Es brauche dringend ein Systemwechsel: Der Einstieg in die Prostitution müsse verhindert werden, die Freier müssten in die Verantwortung genommen werden. Schnelles Handeln sei notwendig, denn das jetzige System produziere täglich neue Opfer. Veranstalter des Kongresses sind das Bündnis „Gemeinsam gegen Menschenhandel“, die Organisationen „Mission Freedom“, „Aktion Hoffnungsland“ und „return Fachstelle Mediensucht“ sowie die Evangelische Allianz in Deutschland und das christliche Gästezentrum „Schönblick“. Die Evangelische Nachrichtenagentur IDEA ist Medienpartner des Kongresses.