22.04.2024

USA: Anti-israelische Kundgebungen

Dramatische Lage für jüdische Studenten an der Columbia-Universität

An der Columbia-Universität in New York bekunden Demonstranten Unterstützung für die Hamas und das Terrormassaker. Viele Juden sorgen sich um ihre Sicherheit.

Von Israelnetz vom 22. April 2024

NEW YORK (inn) – Die Lage für Juden an der Columbia-Universität in New York hat in den vergangenen Tagen eine besonders dramatische Entwicklung genommen: Infolge von anti-israelischen, anti-jüdischen und terrorunterstützenden Protesten hat ein Rabbiner jüdischen Studenten am Sonntagmorgen geraten, den Campus wegen der Gefahrenlage vorerst zu meiden.

Seit einigen Tagen kommt es zu heftigen Protesten. Die Aktivisten errichteten am Donnerstag ein Zeltlager unter dem Wahlspruch „Solidarität für Gaza“. Sie forderten unter anderem den Universitäts- und Wirtschaftsboykott Israels. Die Präsidentin der Universität, Minouche Shafik, forderte die Polizei an, da das Zeltlager eine „klare und reale Gefahr“ für die Abläufe an der Universität darstelle. Bei dem Einsatz beseitigten die Beamten das Zeltlager und nahmen rund 100 Aktivisten fest.

Menschenkette gegen Juden

Tags darauf lagerten die Aktivisten wieder auf dem Campus, diesmal ohne Zelte, aber mit dem Titel „Zeltlager für die Solidarität mit Gaza“. Im Verlauf dieser Kundgebung kam es bis zum Samstagabend zu bemerkenswerten Szenen, die zum Teil in Kurzfilmen auf Social-Media-Kanälen festgehalten wurden. In einem Fall bildeten die Protestler eine Menschenkette, um jüdische Studenten, die an ihrem Davidstern erkennbar waren und als „Zionisten“ eingestuft wurden, vom Protestbereich zu drängen.

Zugleich gab es auch eine Gruppe von Juden, die sich dem Protest anschlossen. Auf einem Plakat schrieben sie „Schabbat Schalom von der Befreiungszone“ und tanzten dazu. Einige trugen ein Palästinensertuch und fast alle eine Maske, so dass ihr Gesicht nicht zu erkennen war.

Aufruf zur Wiederholung des Massakers

Von den Protestlern waren Ansprachen zu hören, die das Terrormassaker vom 7. Oktober feierten. Eine Rednerin sagte, die „Al-Aqsa-Flut“ – so bezeichnet die Terror-Organisation Hamas das Massaker – habe die „Intifada“ wieder auf die weltweite Agenda gebracht. „Dieser aufopfernde Geist der palästinensischen Freiheitskämpfer wird jeden Kampf in jeder Ecke der Welt zum Sieg führen.“

Eine andere Person stand mit vermummtem Gesicht vor einer Gruppe von Menschen mit israelischen Fahnen. Sie hielt ein Plakat hoch mit der Aufforderung an die Isadin-al-Qassam-Brigaden, eine militärische Unterorganisation der Hamas, diese Gruppe zu töten: „Die nächsten Ziele von Al-Qassam“ lautete die Aufschrift mit einem Pfeil, der in Richtung der Gruppe wies.

Bei Protesten am Rande des Campus forderte ein vermummter Aktivist eine 10.000-fache Wiederholung des Massakers vom 7. Oktober. An jenem Tag wurden rund 1.200 Menschen, größtenteils Juden, ermordet. Mit der Forderung insinuierte er also den Mord an weiteren zwölf Millionen Juden. Schätzungen zufolge leben aktuell weltweit rund 15,3 Millionen Juden.

Rabbiner: Keine Sicherheit für Juden

Die Ereignisse schilderte Rabbiner Elie Buechler von der Initiative Jüdisches Lernen auf dem Campus (JLIC) in einer WhatsApp-Nachricht an jüdische Studenten als „schrecklich und tragisch“. Es sei nun klar, dass weder der Sicherheitsdienst der Universität noch die Polizei von New York die Sicherheit jüdischer Studenten gewährleisten könnten. Buechler sprach von „extremem Antisemitismus und Anarchie“.

Die Nachricht ist keine offizielle Mitteilung seiner Organisation, sondern die persönliche Einschätzung Buechlers. Dem CNN-Journalisten Jack Tapper sagte er, er habe am laufenden Band Nachrichten von Studenten erhalten, die sich bedroht fühlten. Es habe Aufrufe gegeben, Juden zu töten oder Tel Aviv abzubrennen. Die Aktivisten hätten Juden aufgefordert, „nach Polen zurückzukehren“.

 

Einschreiten der Nationalgarde gefordert

Der israelische Professor Schai Davidai protestiert bereits seit Monaten lautstark gegen antisemitische Proteste auf dem Campus. Die jüngsten Ereignisse sieht er als Beleg für eine offene Unterstützung der Hamas. Er beklagte, dass die Universität unter Leitung von Präsidentin Shafik nichts unternehme.

Daher forderte er den Bürgermeister von New York, Eric Adams (Demokraten), dazu auf, zu handeln. „Wir brauchen nicht ihre leeren Worte, dass das nicht in Ordnung sei. Gerade jetzt sind wir nicht Ordnung.“ Davidai appellierte auch an die Gouverneurin des Staates New York, Kathy Hochul (Demokraten), die Nationalgarde zu schicken. „Wir glauben an Redefreiheit. Aber genug ist genug.“

Shafik: Antisemitische Sprache nicht hinnehmbar

Shafik teilte in einer Stellungnahme vom Montag mit, dass der Unterricht an der Universität vorerst virtuell ablaufe. Wer nicht am Campus lebe, solle nicht auf das Hochschulgelände kommen. In den kommenden Tagen werde eine Arbeitsgruppe zu dieser „Krise“ beraten, „um das Semester friedlich zu beenden“. Mit Blick auf die Proteste sei sie offen für Diskussionen. „Aber wir können nicht zulassen, dass eine Gruppe Bedingungen diktiert und wichtige Meilensteine wie Abschlussprüfungen stört, um ihre Meinung kundzutun.“

Weiter verurteilte sie die Verwendung von antisemitischer Sprache auf dem Campus als „nicht hinnehmbar“. Es würden angemessene Gegenmaßnahmen eingeleitet. Sie rief die betroffenen Personen auf, entsprechende Vorfälle zu melden.

Biden: Kein Platz für Antisemitismus

US-Präsident Joe Biden (Demokraten) ging in einer Mitteilung vom Sonntag anlässlich des Passahfestes auf die Gewaltaufrufe gegen Juden ein. „Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich – und er hat absolut keinen Platz an Universitäten oder andernorts in unserem Land.“ Die Regierung werde die Nationale Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus „aggressiv“ umsetzen, um die jüdische Gemeinschaft mit der ganzen Kraft der Bundesregierung zu schützen.

Die Biden-Regierung hatte besagte Strategie im Mai 2023 vorgestellt. Bereits damals hieß es, dass Antisemitismus in der amerikanischen Gesellschaft zunehmend „normal“ werde. An Universitäten würden Studenten oder Lehrkräfte verhöhnt und ausgeschlossen, „oft wegen ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen Ansichten zum Staat Israel“. Als eine von vier „Säulen“ nannte das Dokument die Verbesserung der Sicherheit jüdischer Gemeinschaften.

Diasporaminister: Woker Geist kennt keine Wahrheit

Der israelische Präsident Jizchak Herzog nannte die Vorkommnisse an der Columbia-Universität „zutiefst verstörend“. Nun sei entschiedenes Handeln gefordert, schrieb Herzog am Sonntag auf der Plattform X. Die akademische Freiheit und das Leben von Juden an Universitäten sei in Gefahr.

Diaspora-Minister Amichai Schikli (Likud) schrieb, dass die „progressive woke Kultur“ keine Wahrheit kenne. Doch diese gebe es, und ohne sie verschwände der Unterschied von Gut und Böse. Schikli ermutigte die betroffenen Studenten, sich nicht zurückzuziehen. Zugleich müssten sie den Aktivisten nichts entgegnen. „Sie sind von Hass verzehrt und hören nicht auf Vernunft.“ (df)