11.02.2024

Großbritannien: Bibelvers als „Protest“ vor Abtreibungsklinik eingestuft

London: Stephen Green hatte auf einem Schild aus Psalm 139 zitiert

London (IDEA) – Ein britischer Prediger wurde von einem Gericht zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er vor einer Abtreibungsklinik ein Schild mit einem Bibelvers gezeigt hatte. Wie die Organisation Christian Legal Centre (CLC/Christliches Rechtszentrum/London) berichtet, hatte Stephen Green (Carmarthen/Südwales) am 6. Februar 2023 vor einer Abtreibungsklinik im Londoner Stadtbezirk Ealing ein Schild mit der englischen Übersetzung von Psalm 139,13 („Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe.“) hochgehalten. Grundlage der Verurteilung des heute 72-Jährigen ist ein entsprechender Beschluss des Bezirksrats von Ealing vom April 2018, der sogenannte „Pufferzonen“ um Abtreibungseinrichtungen vorsieht. Es handelte sich damals um die erste derartige Anordnung im Vereinigten Königreich. Demnach sind in dieser Zone jegliche Formen der Missbilligung von vorgeburtlichen Kindstötungen untersagt. Zum Hintergrund: Das britische Parlament hat am 7. März 2023 ebenfalls ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Danach ist in der Umgebung von Abtreibungskliniken und -beratungsstellen in England und Wales jede Form von „Beeinflussung“ verboten. Auch einvernehmliche Gespräche, stille Gebete und das Zitieren der Bibel fallen darunter.

Richterin: „Das ist eine Form des Protests“

Die zuständige Bezirksrichterin Kathryn Verghis nannte Greens Verhalten in ihrer Urteilsbegründung einen „Akt des Protests gegen die Abtreibung“. Es hätte schließlich weniger kontroverse Verse gegeben, die dieser habe zeigen können. Verghis räumte ein, dass die Verordnung des Bezirksrats einen „erheblichen Eingriff“ in die Rechte des Predigers darstelle. Diese müssten allerdings gegen die Rechte von Personen abgewogen werden, die Zugang zu Abtreibungseinrichtungen suchten. Greens Protest sei zwar friedlich, seine Handlungen aber „nicht verhältnismäßig“ gewesen. Sie verurteilte den Prediger deshalb zu einem Jahr auf Bewährung sowie zur Zahlung eines Opferzuschlags von 26 Pfund (etwa 30 Euro) an die Abtreibungsklinik und der Kosten des Verfahrens von 2.400 Pfund (etwa 2.800 Euro).

Green: „Werde eher ins Gefängnis gehen, als die Strafe zu bezahlen“

Green ist auch Direktor der christlichen Organisation Christian Voice (Christliche Stimme/Carmarthen), die sich nach eigenen Angaben unter anderem für die Verteidigung des christlichen Glaubens im Vereinigten Königreich, für biblische Werte sowie ein traditionelles Familienbild einsetzt. Nach dem Urteilsspruch erklärte er, er werde gegen die Verurteilung Berufung beim zuständigen Crown Court einlegen: „Als Christ sollte ich im ganzen Land frei predigen können. In Psalm 139 geht es darum, dass wir alle von der Empfängnis an zu Gott gehören. Pufferzonen und diese Verurteilung sind ein direkter Angriff auf die Bibel und die freie Meinungsäußerung“. Er habe keine andere Wahl, als sich weiter zu verteidigen und für Gerechtigkeit zu kämpfen. „Die Menschen sind zu Recht besorgt über die Pufferzonen-Gesetzgebung.“ Wenn es nun eine Straftat sei, ein Schild mit einem Vers aus Psalm 139 auf einer Londoner Straße zu tragen, sei niemand mehr frei. Er würde lieber ins Gefängnis gehen, als die Strafe „an den Staat zu zahlen, der die Bibel verboten hat“.

CLC: 10 Millionen Abtreibungen seit 1967

Die Geschäftsführerin des CLC, das Green bei seinem Prozess unterstützt, Andrea Williams (London), hatte bereits zu Beginn des Prozesses darauf hingewiesen, dass die „Pufferzonen“ um Abtreibungseinrichtungen zur Unterdrückung abweichender Meinungen eingesetzt würden. Das habe zur Folge, „dass jeder Akt der Missbilligung einer Abtreibung kriminalisiert wird und ein Bereich geschaffen wird, in dem keine Diskussion oder gar ein Gebet zum Thema Abtreibung erlaubt ist“. Seit der Legalisierung von vorgeburtlichen Kindstötungen im Jahr 1967 habe es im Vereinigten Königreich über 10 Millionen Abtreibungen gegeben. „Das ist eine schwindelerregende Zahl.“ Das sei fast das Doppelte der Bevölkerung von Schottland (etwa 5,4 Millionen) und mehr als die gesamte Bevölkerung von London (etwa 8,8 Millionen). „Millionen von Menschen würden heute noch leben, wenn die Abtreibung nicht legalisiert worden wäre. Anstatt diesen Verlust an Leben zu beklagen, industrialisieren wir ihn, machen es immer einfacher, Abtreibung auf Verlangen zu bekommen, und jetzt kriminalisieren wir auch noch Andersdenkende.“