15.02.2024

Pakistan: Oberster Gerichtshof rügt Punjab wegen Pflichtversäumnis (u. a. btr. Jaranwala-Anschläge August 2023)

IIRF-D/MorningStarNews/Tübingen/15.02.24 - Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat am 13. Februar die Regierung der Provinz Punjab wegen ihres Berichts über die antichristlichen Angriffe in Jaranwala gerügt und ihn als "würdig, in den Mülleimer geworfen zu werden" bezeichnet.

Das Gericht wies die Beamten an, innerhalb von 10 Tagen einen neuen Bericht vorzulegen.

Der Oberste Richter Pakistans, Qazi Faez Isa, der einem Dreiergremium vorsteht, das in Islamabad einen Suo-Motu-Fall (das heißt auf eigene Veranlassung) zu den Rechten von Minderheiten und den Angriffen vom 16. August in Jaranwala verhandelt, bei denen mehrere Kirchen und Häuser von Christen geplündert und niedergebrannt wurden, nachdem zwei Christen fälschlicherweise beschuldigt worden waren, den Koran entweiht zu haben, sagte, er schäme sich, nachdem er den Bericht gesehen habe.

"Ich schäme mich", sagte Isa zu einem Justizbeamten des Punjab. "Überall auf der Welt erheben wir ein großes Geschrei über 'Islamophobie'. Aber was machen wir hier in Pakistan? Haben wir jemals darüber nachgedacht? Wollen wir in die Fußstapfen von Indien treten, wo Minderheiten nicht sicher sind?"

Isa stellte fest, dass in dem Bericht relevante Informationen fehlten, wie die Registrierung von Strafanzeigen in Bezug auf die Straftaten, die Anzahl der namentlich genannten Verdächtigen, der Status der Fälle, die Namen der zuständigen Gerichte, bei denen die Fälle anhängig waren, und die bisher erzielten Fortschritte.

"Die Art und Weise, wie die Ermittlungen durchgeführt wurden, und das offensichtliche Zögern der Strafverfolgungsbehörden bei der Identifizierung der Schuldigen bringen die Polizei nur in Verruf", sagte er und fügte hinzu, dass die Ermittlungsbehörden offenbar nicht an der Bestrafung der Schuldigen interessiert seien. "Stattdessen scheint es, dass auch die Funktionäre des Staates sich von den Personen einschüchtern lassen, die das Gesetz in die eigenen Hände nehmen, und manchmal, anstatt das Leben und das Eigentum von Nicht-Muslimen zu schützen, die Agenda der Täter vorantreiben."

Isa fragte den Polizeipräsidenten von Faisalabad, welche Maßnahmen gegen die Beamten ergriffen worden seien, die es versäumt hätten, die Krawallmacher zu stoppen. Der Superintendent antwortete, dass eine Untersuchung noch im Gange sei. Er räumte auch ein, dass der Angriff von Aktivisten der muslimischen extremistischen Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan (TLP) ausgeführt wurde.

Isa wies die Polizei von Punjab an, erneut gründliche Ermittlungen durchzuführen und für die strafrechtliche Verfolgung der Beschuldigten zu sorgen, und drohte mit der Suspendierung von Beamten, falls diese keine Ergebnisse liefern würden. Außerdem wies er die Regierung des Punjab an, einen Bericht über den Stand der Wiederaufbauarbeiten an Kirchengebäuden und die Entschädigungszahlungen an die Opfer vorzulegen.

Isa rief zu kollektiven Anstrengungen auf, um das extremistische Gedankengut einzudämmen, und sagte, Vorfälle wie die Anschläge von Jaranwala seien auf mangelnde Bildung, Fehlinformationen, Hass und Misstrauen zurückzuführen, bei denen die Täter die Religion als Vorwand für Angriffe auf Nicht-Muslime nutzten.

"Die Gesellschaft als Ganzes und diejenigen, die an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken, sollten sich mit diesen Fragen befassen", sagte Isa. "Die Bundes- und Provinzregierungen sowie die Medien tragen eine große Verantwortung dafür, die interreligiöse Harmonie zu fördern und Ereignisse, bei denen nicht-muslimische Bürger angegriffen werden, offen anzuprangern.

Das Gericht fügte hinzu, dass alle Bürgerinnen und Bürger es verdienen, gleich behandelt zu werden, und dass es niemandem erlaubt sein sollte, politisches Kapital zu schlagen, indem er religiöse Zwietracht sät.

Kirchen- und Gemeindeleiter begrüßten die Anordnung des Obersten Richters.

 

"Es gibt jetzt eine gewisse Hoffnung auf Gerechtigkeit für die armen Christen von Jaranwala", sagte der Präsident der Church of Pakistan, Bischof Azad Marshall, gegenüber Christian Daily International-Morning Star News. "Wir sind froh, dass der Oberste Richter Pakistans unsere Bedenken bezüglich der Untersuchung des Vorfalls und der Rechenschaftspflicht der nachlässigen Beamten zur Kenntnis genommen hat."

Marshall hatte beim Obersten Gerichtshof in Lahore eine Petition eingereicht, um eine gerichtliche Untersuchung des Vorfalls zu erwirken, doch die Regierung des Punjab lehnte dies ab und verwies auf die Bildung gemeinsamer Untersuchungsausschüsse als ausreichende Maßnahme. Die Petition wurde wiederholt unter verschiedenen Vorwänden vertagt, doch bei der letzten Anhörung im Dezember wies das Gericht die Regierung des Punjab an, ihre Entscheidung zu überdenken.

Seit dem Gerichtsbeschluss sind mehr als zwei Monate vergangen, aber die Regierung hat ihre endgültige Antwort noch nicht eingereicht.

Pfarrer Khalid Mukhtar, ein katholischer Priester, der ebenfalls zu den Klägern in den Jaranwala-Fällen gehört, sagte, die Weisung des Obersten Gerichtshofs an die Regierung des Punjab habe der christlichen Gemeinschaft neue Hoffnung gegeben.

"Wir waren enttäuscht über die Art und Weise, wie die Polizei mit den Ermittlungen umging, aber jetzt haben wir das Gefühl, dass die Regierung von Punjab den Fällen die gebührende Aufmerksamkeit schenken wird", sagte Mukhtar.

Der Menschenrechtsaktivist Samuel Makson sagte, das Eingreifen des Obersten Gerichtshofs habe den sterbenden Fällen neues Leben eingehaucht.

"Ich bin froh, dass der Oberste Gerichtshof meinem Antrag auf eine frühzeitige Anhörung der Suo-Motu-Bekanntmachung stattgegeben hat, sonst wäre der Schaden für die Jaranwala-Fälle irreparabel gewesen", sagte er.Makson reichte am 7. Februar einen neuen Antrag beim Obersten Gerichtshof ein, nachdem das Gericht auf seine frühere, am 8. Dezember eingereichte Petition nicht eingegangen war. In seiner jüngsten Petition hatte er beanstandet, dass einem Großteil der inhaftierten Verdächtigen aufgrund mangelhafter polizeilicher Ermittlungen Kaution gewährt wurde.

Er beschwerte sich auch über die laxe Haltung der Regierung des Punjab in Bezug auf ihr Versprechen, die beschädigten Kirchen und Häuser der Christen wieder aufzubauen und einigen Opfern eine Entschädigung zu zahlen.

Auf der Weltbeobachtungsliste 2024 von Open Doors, die die schwierigsten Orte für Christen auflistet, belegt Pakistan wie im Vorjahr den siebten Platz.

https://morningstarnews.org/2024/02/pakistan-supreme-court-rebukes-punjab-over-jaranwala-attacks/