05.06.2024

Deutschland: Solidarisch mit Stürzenberger - Religionskritik muss erlaubt sein

Abdel-Samad zum „Terrorakt“: Dankbar für Polizeischutz

Mannheim/Karlsruhe (IDEA) – Nach dem Attentat auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger in Mannheim und den dabei getöteten Polizisten hat es weitere öffentliche Reaktionen gegeben. Zum Hintergrund: Der 25-jährige afghanische Angreifer hatte am 31. Mai Stürzenberger und mehrere andere Menschen auf dem Mannheimer Marktplatz verletzt und schließlich den Beamten Rouven L. von hinten mit einem Kampfmesser in Hals und Kopf gestochen. Der Polizist erlag am 2. Juni seinen schweren Verletzungen. Der aus Ägypten stammende Islamkritiker Hamed Abdel-Samad schrieb als Reaktion auf seiner Facebook-Seite, dass ihn der „Terrorakt von Mannheim“ erschüttert habe. Das gelte insbesondere, da er selbst auf Polizeischutz angewiesen sei, wenn er einen Vortrag halte, aber auch wenn er einkaufen oder spazieren gehe. Als ihn die Nachricht vom Tod des Polizisten erreicht habe, sei er „richtig emotional“ geworden, wie Abdel-Samad schreibt. „Jedes Mal, wenn ich die Bühne betrete, um eine Rede zu halten, schaue ich auf die Personenschützer und bin dankbar, dass sie ihr eigenes Leben riskieren, um mich vor Angreifern zu schützen. Mir ist immer bewusst, dass wir das gleiche Schicksal teilen.“ Sein Herz sei bei allen Opfern und ihren Angehörigen. „Ich mache keinen Unterschied zwischen rechts und links, zwischen Polizei und Passanten. Wir sitzen alle im selben Boot und haben es mit Feinden der Freiheit zu tun.“

Jede Form von Gewalt ist ein Angriff auf die Demokratie

Auch Michael Stürzenberger habe seine Solidarität, so Abdel-Samad weiter. „Mir gefällt nicht, wie er über Muslime redet, und das habe ich ihm auch persönlich gesagt, als er mich vor 14 Jahren um ein Interview bat.“ Jede Form von Religionskritik müsse erlaubt sein, „aber wenn es um Menschen geht, sollte man auf Beleidigungen und Herabwürdigungen“ verzichten. Trotzdem verurteile er den Angriff auf den Islamkritiker. „Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt Gewalt gegen jemanden, der nur Worte benutzt. Wenn wir es ernst meinen mit der offenen Gesellschaft, dann müssen wir jede Form von Gewalt als Angriff auf die Demokratie begreifen, egal ob sie von rechts, links oder von Migranten kommt. Dass wir das immer wieder betonen müssen, zeigt, dass wir ein Problem haben!“

Landesbischöfin: „Religion darf niemals ein Grund für Gewalt sein“

Die badische Landesbischöfin Heike Springhart (Karlsruhe) forderte in einer Pressemitteilung dazu auf, sich aktiv gegen Hass und Extremismus jeglicher Art zu stellen: „Die tödliche Messerattacke in Mannheim, der ein junger Polizist zum Opfer gefallen ist, und eine Woche zuvor die Nachricht über das geplante Attentat auf die Synagoge in Heidelberg – beides hat uns alle tief erschüttert“, so Springhart. „In Zeiten wie diesen, in denen Hass und Gewalt immer präsenter werden, ist es wichtiger denn je, einander mit Respekt und Empathie zu begegnen.“ Religion dürfe niemals ein Grund für Gewalt sein, sondern sei eine Quelle der Hoffnung, des Trostes und des Zusammenhalts. „Egal welchem Glauben wir angehören, wir alle teilen die gleiche Menschlichkeit.“ Es sei wichtig, Vorurteile abzubauen, sich über andere Religionen zu informieren und den Dialog zu suchen. Indem man sich für eine Kultur der Toleranz und des Respekts einsetze, könne man dazu beitragen, „dass sich solch schreckliche Ereignisse wie die Messerattacke in Mannheim nicht wiederholen“. Dass am Montag auf dem Mannheimer Marktplatz rund 8.000 Menschen am interreligiösen Friedensgebet teilgenommen und dort gemeinsam ihrer Trauer und Fassungslosigkeit Ausdruck verliehen hätten, sei in diesem Zusammenhang ein deutliches Zeichen der Hoffnung.

 

Mannheimer Pfarrerin befürchtet „Riss in der Mitte der Gesellschaft“

Die evangelische Pfarrerin Ilka Sobottke, deren Kirche nur wenige Meter vom Marktplatz entfernt liegt, äußerte gegenüber dem Südwestrundfunk (SWR) die Befürchtung, dass infolge des Attentats ein Riss „in der Mitte unserer Gesellschaft“ entstehe. Menschen wie der Attentäter hätten aus ihrer Sicht eine bestimmte Art „des bunten Miteinanders auf dem Kieker“. In Mannheim lebten Menschen verschiedener Kulturen und Religionen gut zusammen. Die Situation für die Muslime in der Stadt sei jetzt sehr schwierig, weil sie befürchten müssten, in irgendeiner Art für die Tat verantwortlich gemacht zu werden. Einerseits gebe es „die Polarisierer, die die Weltlage nutzen, um laut zu brüllen und Gräben aufzureißen“. Andererseits gebe es die, die „lieber mal drei Schritte zurück machen und versuchen, miteinander im Gespräch zu bleiben“. Diejenigen, die die Messerattacke im Internet feierten, missbrauchten die Religion für ihre Zwecke. Und genau das kritisierten laut Sobottke auch fast alle Moscheegemeinden in Mannheim. Das ändere aber nichts daran, dass manche Christen oder Juden in der Stadt „Angst haben“. Denn es gebe tatsächlich „diese radikalisierten Personen“, die aber kaum „dingfest“ zu machen seien. Sobottke berichtete dem SWR weiter, dass es in Mannheim seit vielen Jahren einen intensiven Austausch zwischen Christen, Juden und verschiedenen Gruppen von Muslimen gebe. „Wir hören auf die Gedanken und die Gefühle der anderen und versuchen, wirklich Verständnis füreinander zu haben.“