05.06.2024

Kasachstan: Razzien in mehreren evangelikalen Gemeinden

Die Polizei verhängte Geldstrafen gegen Pastoren und Mitglieder

Schu (IDEA) – In der südkasachischen Stadt Schu hat die Polizei mehrere Razzien gegen evangelikale Gemeinden vorgenommen. Das berichtet die norwegische Menschenrechtsorganisation „Forum 18“ (Oslo). Die Vorfälle ereigneten sich im März und April. So habe die Polizei die Baptistenkirche im nahe gelegenen Dorf Konayeva kurz vor dem Gottesdienst durchsucht und diesen anschließend gefilmt – trotz Protests der Anwesenden. Die Beamten erklärten ihr Verhalten damit, dass sie einen anonymen Anruf mit der Bitte um Prüfung der Versammlung erhalten hätten. Die Polizei lud den leitenden Pastor Valter Mirau sowie zwei weitere Kirchenmitglieder vor und belegte sie mit Geldstrafen, weil sie sich in einer „nicht registrierten, nicht zugelassenen oder verbotenen religiösen Gemeinschaft“ betätigt und diese „geleitet“ hätten. Mirau warfen die Behörden außerdem illegale Missionstätigkeit vor sowie „die Verwendung von religiösem Material ohne positive Beurteilung durch einen religiösen Experten und die Verbreitung der Lehren einer nicht registrierten religiösen Gruppe“. Trotz Berufung vor Gericht mussten die drei Personen die Geldstrafen zahlen. Die Polizei führte auch eine Razzia bei einer weiteren protestantischen Kirche in dem Dorf durch. Einzelheiten sind laut „Forum 18“ aber nicht bekannt.

77-jähriger Pastor vor Gericht

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich am 14. April in der Baptistenkirche von Schu. Dort haben Polizisten laut „Forum 18“ bei einer ersten Razzia darauf verwiesen, dass eine offizielle Registrierung der christlichen Gemeinschaft notwendig sei. 14 Tage später sei die Polizei unter einem erfundenen Vorwand zurückgekehrt, habe die Predigt erfasst und von den Gottesdienstbesuchern eine schriftliche Erklärung für ihre Anwesenheit gefordert. Am nächsten Tag habe sie gegen drei Kirchenmitglieder, darunter zwei Söhne des Pastors, Geldstrafen in Höhe von jeweils umgerechnet 3.850 Euro verhängt, weil sie sich in einer „nicht registrierten, nicht zugelassenen oder verbotenen Religionsgemeinschaft“ betätigt hätten. Dem 77-jährigen Hauptpastor der Kirche, Andrei Boiprav, warf die Polizei bei einem Verhör „illegale Missionstätigkeit“ vor. Sein Fall ist nun ohne Termin beim Bezirksgericht Schu anhängig.

Zuständige Beamtin: Polizei hat eigenmächtig gehandelt

Der örtliche Baptistenrat verurteilte das Vorgehen der Polizei. In einer Erklärung heißt es: „Was in den letzten Monaten in Schu geschehen ist, hat bei den evangelikalen Gemeinschaften, die wegen ihrer religiösen Aktivitäten verfolgt werden, große Besorgnis ausgelöst.“ Auf Nachfrage von „Forum 18“ erklärte die zuständige Beamtin für die Überwachung nichtmuslimischer Gemeinschaften in der Regionalverwaltung von Sambyl, Saule Baibatschajewa, die Polizei habe eigenmächtig gehandelt. Ihre Abteilung verteidige Gläubige stets. Die Verfassung Kasachstans erkennt die Gewissensfreiheit an und verbietet Diskriminierung aufgrund der Religion. Ein Religionsgesetz von 2011 sieht aber unter anderem die Registrierung von Glaubensgemeinschaften und deren Versammlungsorte vor. Für die meisten Freikirchen sind die Auflagen dazu aber kaum erfüllbar, so dass sie sich heimlich und damit illegal versammeln müssen. Nach Angaben von „Forum 18“ gingen die Behörden im vergangenen Jahr in 203 Fällen verwaltungsrechtlich gegen Personen und Organisationen vor, die ihre Religionsfreiheit ausübten. 172 von ihnen wurden bestraft, meist mit hohen Geldstrafen. Aufgrund der aktuellen Lage in Kasachstan empfahl die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF/Washington) dem US-Außenministerium in ihrem jüngsten Jahresbericht, das muslimisch geprägte Land auf eine spezielle Beobachtungsliste zu setzen. Von den 19 Millionen Einwohnern im zentralasiatischen Kasachstan sind rund 70 Prozent Muslime und etwa 26 Prozent Christen, die meisten davon russisch-orthodox.