21.03.2024

Weltweit: Die Sklaverei gedeiht in erschreckender Weise

Sklaverei ist weltweit verboten. Doch nur auf dem Papier.

(idea) 

Schätzungsweise 50 Millionen Männer, Frauen und Kinder leben heute als Sklaven. Pfarrer Peter Fuchs, Geschäftsführer von Christian Solidarity International (CSI), berichtete IDEA-Redakteurin Erika Gitt exemplarisch von ihrem Leid.

Kousar Bibi schuftete mit ihrem Ehemann Yaqoob Masih 22 Jahre in einer Ziegelei in Pakistan. Doch nicht als normale Arbeiterin: Die heute 56-Jährige war eine Sklavin. Die Mutter zweier Mädchen hatte keine Wahl. Die Krankheit ihres Mannes brachte die Familie in diese Notlage. Immer wieder musste sich die bitterarme Familie von ihrem Arbeitgeber Geld leihen, um die Arztrechnungen für Yaqoobs Behandlungen begleichen zu können. Das christliche Ehepaar verkaufte sich damit an seinen Arbeitgeber – und der nutzte ihre Not aus. Sie mussten zu seinen Bedingungen arbeiten und konnten sich keinen anderen Job suchen. Er hatte sie in der Hand.

Als Yaqoob 2015 starb, „erbte“ Kousar Bibi die Schulden ihres Mannes. Auch ihre beiden Töchter mussten nun zum Frondienst. Sie besuchten damals erst die sechste Klasse. Aus war der Traum von einer besseren Zukunft für die Zwillinge.

Christian Solidarity International (CSI) wurde auf das Schicksal der Familie aufmerksam, und damit änderte sich ihr Leben. CSI beglich die Schulden und half Bibi dabei, ein eigenes Lebensmittelgeschäft zu eröffnen. Die Geschichte von Kousar Bibi ist kein Einzelfall in Pakistan: Obwohl die Schuldknechtschaft gesetzlich verboten ist, werden bis zu vier Millionen Menschen in dem Land als Sklaven in einer Ziegelei-Knechtschaft ausgebeutet und das Leid der Eltern meist an ihre Kinder vererbt.

Vom Stiefvater verkauft

Blickpunkt Indien: Bis 2022 war Manisha Kandulna ein normales, glückliches Mädchen in Indien. Dann starb ihr Vater. Ihr Stiefvater, ein Hindu, verbot der Elfjährigen und ihrer Mutter den Besuch einer Kirche. Als er mit Manishas Mutter eine eigene Familie gründen wollte, war das Mädchen eine Last für ihn. Er kontaktierte eine Menschenhändlerin, die gegenüber Manishas Mutter vorgab, dass Manisha im fernen Delhi eine gute Ausbildung erhalten solle. In Wirklichkeit hatte der Stiefvater das Kind in die Prostitution verkauft.

Doch ein Mitarbeiter des lokalen Partners von CSI entdeckte die weinende Manisha mit der Menschenhändlerin im Bus und meldete die verdächtige Situation der Polizei. Das Mädchen wurde befreit und zu ihren Großeltern gebracht. Dort besuchen sie Mitarbeiter des CSI-Partnerwerks regelmäßig. Manisha hätte um ein Haar das Schicksal von vielen Millionen jungen Menschen in Indien erlebt, die als Sex- oder Arbeitssklaven ausgebeutet werden.

Manisha lebt jetzt bei ihren Großeltern. Foto: Christian Solidarity International

Ein Leben lang missbraucht

Blickpunkt Sudan: Anuk Garang Akot weiß erst seit wenigen Monaten, wie es sich anfühlt, keine Sklavin mehr zu sein. Die neue Freiheit muss die 21-Jährige erst noch lernen. Anuks Leben war bislang ein Leidensweg aus harter Arbeit und sexuellem Missbrauch. Die junge Südsudanesin ist ein typisches Opfer des sudanesischen Bürgerkriegs, der von 1983 bis 2005 andauerte.

2004 verschleppten dschihadistische arabische Milizen die damals etwa Zweijährige mit ihrer Mutter aus dem mehrheitlich christlichen Süden in den muslimischen Norden des Sudans. Dort wurden Mutter und Tochter getrennt und als Sklavinnen verkauft. Die Kleine wuchs mit anderen Sklaven ihres Sklavenhalters auf. Im November 2023 tauschte sie ein sudanesischer Geschäftsmann im Auftrag von CSI gegen Medikamente für die Nutztiere „ihres Herrn“ aus der Sklaverei.

Nach ihrer Befreiung fand sie zusammen mit anderen ehemaligen Sklavinnen in einem Dorf im Südsudan Aufnahme. CSI gab ihr als Starthilfe eine Grundausstattung sowie eine Milchziege. Rund 100.000 Versklavte hat das christliche Werk seit 1995 im Sudan freigekauft. Noch ist kein Ende in Sicht, denn es befinden sich immer noch Tausende Südsudanesen in sudanesischer Sklaverei.

Anuk Gargang Akot ist vor wenigen Monaten befreit worden. Foto: Christian Solidarity International

Was ist Sklaverei?

All diesen Schicksalen ist gemein: Sie sind Beispiele für die bis heute existierende Sklaverei überall auf der Welt. Obwohl sie offiziell seit 1948 mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verboten ist, sehen Menschenrechtsexperten in den vergangenen Jahren einen deutlichen Anstieg. Heute werden unter Sklaverei unterschiedliche ausbeuterische und missbräuchliche Praktiken wie Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Zwangsehen oder Zwangsprostitution, aber auch die Rekrutierung von Kindersoldaten verstanden.

Wenn CSI als Menschenrechtsorganisation für Religionsfreiheit und Menschenwürde heute Menschen befreit, die aus religiösen Gründen oder aus purem Profitdenken versklavt und ausgebeutet werden, stellt es sich ganz bewusst in eine große christliche Tradition: So waren es unter anderem protestantische Christen, die bei der Abschaffung der Sklaverei in Großbritannien und später in den USA eine nicht unwichtige

Rolle spielten. Es ist die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, die Werke wie CSI in ihrem Einsatz bestärken. Denn alle Formen der Sklaverei haben letztlich die Gemeinsamkeit, dass sie die Person zur Ware machen und entmenschlichen. Dem gilt es mutig entgegenzutreten.