04.05.2024

USA: "Mission der Mormonen“ - Der vielseitige Mister Smith

Die 3SAT-Dokumentation „Glaube und Geld – die Mission der Mormonen“ erklärt, warum die Mormonen Ahnenforschung betreiben und eine seltsame Tempelzeremonie vollziehen. Ihre Lehren gehen zurück auf einen umtriebigen Gründer. IDEA-Reporter Karsten Huhn

(IDEA) Welches Alleinstellungsmerkmal haben die Mormonen? Vielen fällt dabei als Erstes die Möglichkeit zur Mehrfachehe ein. Das ist richtig und falsch zugleich, lernt man in der Dokumentation „Glaube und Geld – Die Mission der Mormonen“ des französischen Filmemachers Benoit Cressent. Verboten wurde sie von der Kirche Jesu der Heiligen der letzten Tage – wie sich die Mormonen offiziell nennen – bereits im Jahr 1890. Zugleich lebt sie allerdings in mormonischen Splittergruppen fort. Im mormonischen Gründungsstaat Utah ist die Mehrfachehe nur eine Ordnungswidrigkeit; in allen anderen US-Bundesstaaten wird sie mit Gefängnis bestraft.

Prophet und Präsidentschaftskandidat

Gegründet wurden die Mormonen im Jahr 1830 von Josef Smith (1805–1844). Von den Mormonen wird er als Prophet verehrt. Smiths Geschichte ist reich an Wendungen: Zunächst war er Schatzsucher und arbeitete in der Landwirtschaft. Von einem Engel namens Moroni will er den Auftrag empfangen haben, „goldene Platten“ zu übersetzen. Die Platten gingen verloren, doch die Übersetzung – das „Buch Mormon“ – blieb. Später kam Smith wegen des Vorwurfs des Hochverrats ins Gefängnis, er kam frei, wurde Kaufmann, Gastwirt und Bürgermeister, ernannte sich später selbst zum Generalleutnant, war Mitglied der Freimaurer, Kandidat für das US-Präsidentenamt, heiratete mindestens 30 Frauen, kam erneut ins Gefängnis und wurde schließlich von einem Mob gelyncht.

Dank Kinderreichtums und reger Missionstätigkeit haben die Mormonen heute weltweit 17 Millionen Anhänger; die Hälfte davon lebt in den USA (in Deutschland sind es etwa 39.000). Im Alter zwischen 18 und 20 Jahren wird der Mormonen-Nachwuchs paarweise ausgesandt; Männer gehen für zwei Jahre, Frauen für 18 Monate auf die selbst finanzierte Missionsreise. Weltweit sind etwa 56.000 Mormonen-Missionare im Einsatz, um über Jesus Christus zu sprechen.

Warum Verstorbene getauft werden

Die Dokumentation beschreibt die Mormonen als „eine der reichsten Kirchen der Welt“ und als Spezialisten für Ahnenforschung. Weltweit sammeln sie Daten von Verstorbenen in gigantischen Datenbanken, die jeder kostenlos einsehen kann. Der Grund für die Sammelleidenschaft ist kurios: Um sicher zu gehen, dass auch Verstorbene gerettet werden, besteht bei den Mormonen die Möglichkeit, dass sich Lebende stellvertretend für Tote taufen lassen. Dafür reicht die Kenntnis des korrekten Namens des Verstorbenen sowie sein Geburts- und Sterbedatum. Eine weitere mormonische Besonderheit ist die „Endowment“ (Begabung)-Zeremonie in einem Mormonen-Tempel mit Waschung, Salbung, Einkleidung und Besiegelung. Dabei werden die drei Stufen der menschlichen Existenz durchlaufen: das Dasein vor der Geburt, das Leben auf der Erde sowie das ewige Leben. Indes erkennen Kritiker in der Zeremonie eher freimaurerische als biblische Riten.

Für die Dokumentation haben die Mormonen ihre Türen geöffnet. Zu Wort kommt mit Ronald Rasband auch ein Mitglied der „Zwölf Apostel“, dem Leitungsgremium der Mormonen. Rasband ist durchaus sympathisch, allerdings tut es weh, seinen theologischen Verrenkungen zu folgen, um Lehren zu rechtfertigen, die nicht der Bibel entspringen, sondern dem Einfallsreichtum von Josef Smith.

Die Dokumentation steht in der 3SAT-Mediathek zur Verfügung.