07.09.2020

Deutschland: Krawalle in Leipzig

Kirche verurteilt Gewalt gegen Polizeibeamte - Sprecherin: Gewalt löst keine Probleme, sondern verhärtet Haltungen

Leipzig (idea) – Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens hat die gewalttätigen Ausschreitungen und die Angriffe gegen Polizisten in Leipzig verurteilt sowie eine Debatte über städtische Entwicklungen gefordert. Im Osten der Stadt und dem linksalternativ geprägten Stadtteil Connewitz war es in den Nächten vom 3. bis 6. September zu linksextremistischen Ausschreitungen gekommen. Neben Sachbeschädigungen an Fahrzeugen und Häusern kam es dabei auch zu massiven Angriffen mit Flaschen, Pyrotechnik und Steinen auf Polizeibeamte. Elf Beamte erlitten Verletzungen. Die Leiterin der landeskirchlichen Stabsstelle für Kommunikation und Koordination, Tabea Köbsch (Dresden), bezeichnete gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea friedliche Kritik an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen als legitim. Durch Gewalt jedoch würden Probleme nicht gelöst, sondern Menschen verletzt und Haltungen verhärtet.

Sprecherin: Über Gewalttaten das Anliegen der Demonstranten nicht vergessen

Ebenso bedauere die Landeskirche aber auch, dass durch die gewalttätigen Auseinandersetzungen die Beschäftigung mit dem Anliegen der Demonstranten ausbleibe. „Denn die gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen der Gentrifizierung, über die Veränderung unserer Städte und die Verdrängung von Menschen aus einzelnen Stadtteilen ist dringend notwendig, ebenso die gemeinsame Suche nach Lösungen für sozialverträgliche Wohnungen und Mietpreise“, so Köbsch. In eine friedliche Debatte über ein soziales Miteinander „werden wir uns als Kirche einbringen und dafür sollten wir Räume anbieten“. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte die Ausschreitungen „auf das Schärfste“. Mit Blick auf den Auslöser der Krawalle sagte der Politiker: „Man schafft keinen Wohnraum, indem man Polizisten angreift und Barrikaden anzündet.“ Der sächsische Innenminister, Roland Wöller (CDU), nannte die gezielten Angriffe auf Polizeibeamte „nicht hinnehmbar“. Er wolle sich für härtere Strafen bei Gewalt gegen Polizisten einsetzen.

Polizeichef Schultze: Tod von Menschen wird in Kauf genommen

Als Auslöser der Proteste in der Nacht vom 3. zum 4. September diente laut Polizeimeldung die wegen Hausfriedensbruchs gerichtlich angeordnete Durchsuchung eines leerstehenden Mehrfamilienhauses. Als „heimtückisch und mit Mitteln, die den Tod der Menschen, die getroffen werden, in Kauf nehmen“, beschrieb der Leipziger Polizeichef Torsten Schultze Medienberichten zufolge das Vorgehen der Angreifer. Die Polizei ermittelt nun unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Für Kritik sorgte ferner die Reaktion der Linksjugend Leipzig. Sie hatte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ein Foto mit dem Schriftzug „Advent, Advent, ein Bulle brennt“ geteilt. Der Beitrag wurde mittlerweile gelöscht. Auch die Polizei Sachsen war in den sozialen Netzwerken dafür kritisiert worden, auf Twitter den umstrittenen Beitrag eines anderen Nutzers geteilt zu haben. Darin hieß es: „Gestohlene Räume von Leuten, die sich das erarbeitet haben. Davon hat das linke Pack natürlich keine Ahnung.“ Wenig später löschte die Polizei den Beitrag und bat um Entschuldigung. Bereits jetzt gibt es erneut Aufrufe von Linksradikalen zu einer „antiautoritären Demo“ am 12. September in Leipzig. Sie steht unter dem Motto „Storm the fortress – Break all borders!“ (Stürmt die Festung – Durchbrecht alle Grenzen!).

Tageszeitung: Linke Angreifer halten von der Demokratie kaum mehr als ein Reichsbürger

Die Tageszeitung „Die Welt“ (Ausgabe 7. September) kritisierte in einem Kommentar, dass linksextreme Gewalt weniger thematisiert werde. Diese empöre „fast nicht, sondern findet im Gegenteil oft Verteidiger selbst in bürgerlichen Milieus. Dabei halten linke Angreifer kaum mehr von der freiheitlichen Demokratie als ein Reichsbürger.“ Auch sie hätten die klare Absicht, die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung zu zerstören: „Warum also lässt uns das so kalt? Linksextremisten schaffen es offenkundig besser, bei zentralen Debatten vermeintlich auf der Seite der ,Guten‘ zu sein.“ Die Leipziger Volkszeitung schreibt, dass die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Linksextremismus seit Jahren in Leipzig nur halbherzig geführt werde: „Politiker, die sich in Anbetracht der drei Krawallnächte zwar schockiert zeigen, gleichzeitig aber Verständnis für die Hausbesetzer aufbringen, müssen sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, Gewalttätern ideologisch den Weg zu bereiten.“