08.09.2020

Nigeria: Christen leiden vor allem unter islamischer Gewalt

Ein Interview mit Menschenrechtler Monsignore Obiora Ike

Der bekannte nigerianische Geistliche und Menschenrechtler Monsignore Obiora Ike nimmt kein Blatt vor den Mund.

 „Als Christ ist es meine Aufgabe, die Wahrheit zu sagen.“

(CSI) Der bekannte nigerianische Geistliche und Menschenrechtler Monsignore Obiora Ike nimmt kein Blatt vor den Mund. Laut Ike werden die tödlichen Übergriffe islamistischer Fulani-Milizen auf Christen von der Regierung unterstützt. Trotz allem besteht auch Grund zur Hoffnung.

CSI: In den westlichen Medien erfährt man sehr wenig über die religiöse Verfolgung in Nigeria. Erstaunt Sie das?

Monsignore Obiora Ike: Nicht unbedingt. Afrika ist für die internationalen Medien grundsätzlich nicht interessant. Und Europas Politiker lassen lieber Islamisten aus dem Nahen Osten in ihren Kontinent als afrikanische Christen. Doch an den Bodenschätzen sind sie interessiert.

CSI: In Nigeria leiden derzeit die Christen vor allem unter der Gewalt von islamistischen Fulani-Milizen. Werden die Fulani-Nomaden für politische Ziele missbraucht?

Ike:Das ist so. In den letzten 100 Jahren haben die muslimischen Fulani-Nomaden mit den christlichen Bauern in Frieden gelebt. Bevor Muhammadu Buhari 2015 Präsident Nigerias wurde, gab es keine islamistische Gewalt von Fulani-Nomaden. Seit seiner Wahl wird die brutale Islamisierung durch Fulani-Banditen legitimiert und vorangetrieben. 20.000 Menschen, überwiegend Christen, wurden seit seiner Machtübernahme 2015 getötet.

Buhari unterstützt diese Islamisierung durch Terror, Entführungen und Enteignungen von Ländereien christlicher Bauern, weil dies in sein Programm passt, gegen die Christen vorzugehen. Deshalb will auch weder das Militär noch die Polizei die gewalttätigen Übergriffe der Fulani stoppen. Unser Präsident hätte die Macht, dies zu tun. Aber er unternimmt nichts.

 

CSI: Würde sich die Lage entspannen, wenn der Reichtum in Nigeria besser verteilt wäre? Ist es so, dass die Christen im reicheren Süden leben und die Muslime im armen Norden?

Ike: Tatsache ist, dass die reichsten Nigerianer aus dem Norden stammen und Muslime sind. Es stimmt zwar, dass in den muslimischen Gebieten im Norden des Landes Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus verbreiteter sind als in den christlichen Regionen. Doch dieses Elend ist weitgehend hausgemacht. Die muslimischen Herrscher im Norden sind gar nicht daran interessiert, dass die Kinder zur Schule gehen und gut ausgebildet werden. Sie fürchten sich vor einem Macht- und Kontrollverlust. So aber können sie die Menschen manipulieren und die Religion instrumentalisieren. Letzteres gipfelt im Namen der Terrororganisation Boko Haram, was ja bedeutet, dass Bücher Sünde sind.

CSI: Sie reden Klartext. Haben Sie keine Angst vor Anschlägen? Immerhin entgingen Sie im Oktober 2002 nur knapp einem Attentat.

Ike: Warum sollte ich Angst haben? Als Christ ist es meine Aufgabe, die Wahrheit zu sagen. Nur wenn wir das Jenseits aus den Augen verlieren und das Diesseits als unsere Heimat betrachten, werden wir ängstlich, weil wir dann den Glauben und die Orientierung verlieren. Als Christen sollten wir uns auch nicht vor dem Tod fürchten.

CSI: Besteht Hoffnung, dass sich die Lage für die bedrohten Christen in Nigeria in absehbarer Zeit verbessert?

Ike: Ich glaube eher, dass sich die Krise zuspitzen wird, weil die Regierung kein Interesse zeigt, die Christen zu schützen. Ich erachte Nigeria in dieser Hinsicht gegenwärtig als einen gescheiterten Staat.

CSI: Was erwarten Sie vom Westen?

Ike: Die internationale Gemeinschaft darf Afrika nicht vergessen. Ich erlebe Europa als seelenlos, wenn es ums Geschäftemachen geht. Auch werden in Europa Christen unterdrückt, und zwar durch die Gleichgültigkeit. Man schläft und schnarcht in der Kirche. Die Folge dieser Gleichgültigkeit ist, dass der christliche Glaube ausstirbt. In London gehen mittlerweile mehr Muslime freitags in die Moschee als Christen sonntags in die Kirche. Das sollte uns zu denken geben. Europa muss aufwachen und darf nicht schweigen, wenn Christen weltweit und vor allem auch in Nigeria brutal unterdrückt werden.

CSI: Sehen Sie auch hoffnungsvolle Zeichen?

Ike: Ja, durchaus. Ich stelle fest, dass die Kirchen in Afrika voller sind als je zuvor. Gerade in Nigeria begegne ich vielen furchtlosen Christen. Hoffnung schöpfe ich auch wegen der Arbeit von CSI. Im Sudan hat CSI klar Position bezogen und sich für die Freiheit von Sklaven eingesetzt. Ich bin daher zuversichtlich, da sich CSI gleichermaßen für Religionsfreiheit in Nigeria engagiert.