09.09.2020

Deutschland: Christliche Hilfswerke: Flüchtlingen muss geholfen werden

Nach einem Brand in dem überfüllten Lager Moria sind viele Menschen obdachlos

Lesbos (idea) – Deutschland und die Europäische Union müssen den Bewohnern des überfüllten Flüchtlingslagers „Camp Moria“ auf der griechischen Insel Lesbos helfen. Dazu haben christliche Hilfsorganisationen aufgerufen. Durch einen Brand in dem Lager in der Nacht auf den 9. September sind viele Bewohner obdachlos geworden. „Das Camp – wie wir es kennen – ist zerstört“, berichtete die Organisatorische Leiterin der Hilfsorganisation Euro-Relief, Andrea Wegener, gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. In Moria lebten bisher rund 13.000 Flüchtlinge. Jetzt campierten die Bewohner unter freiem Himmel außerhalb des Lagers. „Die Leute sind desorientiert, die haben alles verloren.“ Hilfsorganisationen versuchten, sie mit dem Notwendigsten zu versorgen. Wie die Arbeit der Helfer in Zukunft weitergehen könne, sei noch völlig unklar. „Meine einzige Hoffnung ist, dass diese Katastrophe, die wir alle haben kommen sehen – wenn nicht in dieser Form, dann in einer anderen – ein heilsames Erschrecken bewirkt, auch bei uns in Deutschland“, so Wegener.

Gemeinsame Erklärung aller EKD-Gliedkirchen: Sofort helfen

Die leitenden Geistlichen der 20 EKD-Gliedkirchen reagierten in einer gemeinsamen Erklärung „entsetzt, dass es der Europäischen Union trotz vielfacher Warnungen nicht gelungen ist, diese Eskalation der menschenunwürdigen Situation in dem Lager zu verhindern“. Sie setzen sich ferner in der an die deutsche Ratspräsidentschaft und den Bundesinnenminister gerichteten Erklärung für eine europäische Lösung bei der Verteilung der Schutzsuchenden auf aufnahmebereite Länder ein. Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), sagte: „Mit diesem Appell wollen wir an die auf erschreckende Weise deutlich gewordene Dringlichkeit erinnern, den Geflüchteten, die in den Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, sofort und dauerhaft zu helfen.“ Eine gemeinsame Erklärung aller leitenden Geistlichen der EKD-Gliedkirchen hatte es zuletzt 2015 gegeben.

„Moria ist eine Hölle für Geflüchtete“

Ein Vorstandsmitglied der christlichen Hilfsorganisation Kindernothilfe (Duisburg), Carsten Montag, erklärte in einer Pressemitteilung, Camp Moria habe von Anfang an nur die Kapazität für die Unterbringung von 2.800 Menschen gehabt. Durch die Überfüllung seien die Lebensbedingungen der Flüchtlinge seit langem menschenunwürdig. Mindestens 35 Bewohner des Lagers seien nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. „Es ist beschämend, dass Deutschland bisher erst 465 Kinder aus dieser Hölle aufgenommen hat.“ Auch der Vorstandsvorsitzende der christlichen Hilfsorganisation World Vision Deutschland, Christoph Waffenschmidt (Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main), erklärte in einer Pressemitteilung, Moria sei „jahrelang die Hölle für Geflüchtete“ gewesen. Deutschland und die Europäische Union hätten jetzt die Pflicht, sich um die Flüchtlinge zu kümmern und sie an einen sicheren Ort zu bringen.

Alle Flüchtlingslager in Griechenland schließen

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel, schrieb in einer Pressemitteilung, die Europäische Union trage „die volle Verantwortung für diesen Brand“. Sie habe tatenlos zugesehen, wie sich in dem Camp „Chaos, Elend, sowie Überforderung, Panik und Aggressionen auf allen Seiten unaufhaltsam zu einer Katastrophe ausgeweitet haben“. Jetzt müssten alle überfüllten Flüchtlingslager in Griechenland planvoll geschlossen und die Flüchtlinge in Europa menschenwürdig untergebracht werden. Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie (Berlin), forderte die deutsche Regierung auf, die sofortige Evakuierung des Lagers zu organisieren. Das Feuer sei „ein Fanal der Hoffnungslosigkeit und Wut, weil noch immer keine menschenwürdige Lösung gefunden wurde“. Bundesländer und Städte in Deutschland hätten ihre Bereitschaft erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen. Deren katastrophale Lage dulde keinen Aufschub.

 

Gerechte Verteilung unter den EU-Staaten gefordert

Der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, nannte den Brand „eine Katastrophe mit Ansage“. Deutschland und die Europäische Union hätten mit ihrer Weigerung, die Flüchtlinge aufzunehmen, eine „Politik der Abschreckung auf Kosten der Menschlichkeit“ betrieben. Jetzt gelte es, „eine Lösung im Geist der europäischen Solidarität zu finden“ und die Verantwortung für die Schutzsuchenden gerecht zwischen den EU-Staaten aufzuteilen.