11.01.2021

Deutschland: Bremens Kirchenleitung stellte Strafanzeige gegen Latzel

Das geht aus der schriftlichen Urteilsbegründung hervor

Bremen (idea) – Der Kirchenausschuss (Kirchenleitung) der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) hat am 15. Mai 2020 selbst Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen den Pastor der St.-Martini-Gemeinde in Bremen, Olaf Latzel, gestellt. Das geht aus der schriftlichen Begründung des Amtsgerichtsurteils gegen Latzel hervor, die der Evangelischen Nachrichtenagentur idea vorliegt. Bisher war bekannt, dass unter anderem der Verein „Christopher Street Day Bremen“ am 30. April 2020 Strafanzeige gegen Latzel gestellt hatte. Hintergrund: Latzel hatte in einem „Eheseminar“ seiner Gemeinde, das als Audiodatei auf YouTube veröffentlicht wurde, unter anderem Homosexualität als eine „Degenerationsform der Gesellschaft“ bezeichnet und gesagt: „Überall laufen diese Verbrecher rum vom Christopher Street Day.“ Später hatte Latzel sich dafür entschuldigt und die Aufzeichnung im Internet gelöscht. Das Amtsgericht Bremen verurteilte Latzel am 25. November 2020 wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da er und sein Anwalt Sascha Böttner (Hamburg) dagegen in Berufung gegangen sei. Der Kirchenausschuss hatte am 10. Dezember 2020 beschlossen, Latzel vorläufig des Dienstes zu entheben. Als Grund nannte er die Verurteilung des Pastors durch das Amtsgericht Bremen. Der Sprecher der BEK, Frank Lenk, erklärte auf Nachfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, die Landeskirche werde am 12. Januar eine Stellungnahme abgeben.

Hierzu ein Kommentar/Zwischenruf zur Meldung von idea-Redakteur David Wengenroth:

Im sechsten Kapitel des 1. Korintherbriefs ermahnt Paulus die Christen in Korinth energisch, ihre internen Streitigkeiten nicht vor weltlichen Gerichten auszutragen. Daraus kann man für uns Christen, die heute in einem demokratischen Rechtsstaat leben, wohl keine allgemeine Regel ableiten. Die Information, dass die Bremische Kirchenleitung im Mai 2020 Strafanzeige gegen Olaf Latzel gestellt hat, hinterlässt trotzdem einen mehr als faden Beigeschmack. Das gilt umso mehr, als dieser Umstand erst durch die jetzt veröffentlichte schriftliche Begründung des Amtsgerichtsurteils gegen Latzel bekannt geworden ist.

Was hat die Kirchenleitung bezweckt?

Was hat die Kirchenleitung bezweckt? Als sie ihre Strafanzeige stellte, war längst bekannt, dass die Staatsanwaltschaft ermitteln würde, unter anderem wegen einer Anzeige des Vereins „Christopher Street Day Bremen“. Auch mit der angeblichen Sorge um das Ansehen der Kirche lässt sich dieser Schritt nicht erklären, da er ja nicht öffentlich bekannt gemacht wurde. Abgesehen davon: Wenn es dem Kirchenausschuss wirklich um das Ansehen der Kirche gegangen wäre, hätte er allen Grund gehabt, die Anzeige zu unterlassen. Die Annahme, dass Latzels Äußerungen die Grenze zur strafbaren Volksverhetzung überschritten hatten, lag zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der bis dahin vorliegenden Rechtsprechung fern. Im Interesse der Kirche wäre gewesen, das strafrechtliche Verfahren nicht auch noch zu unterstützen.

Zur Eskalation beigetragen

So bleibt als einzige plausible Erklärung für die Strafanzeige, dass der Kirchenausschuss dem unliebsamen evangelikalen Pastor persönlich schaden wollte. Das passt leider ins Bild. Die Kirchenleitung hat jetzt für ihre Außendarstellung im „Fall Latzel“ einen Fachmann für Krisen-PR engagiert. Das hätte sie sich sparen können, wenn sie nicht in den vergangenen Monaten immer wieder konsequent selbst zur Eskalation des Konflikts beigetragen hätte. Auf eine solche Weise sollten auch wir Christen, die heute in einem demokratischen Rechtsstaat leben, nicht miteinander umgehen.