15.01.2020

Algerien: Gottesdienste? Nicht genehmigt

(idea) Das muslimische Algerien steht seit Jahren auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors. Durch Kirchen­schließungen und Inhaftierungen kletterte das Land im aktuellen Ranking, das am 15. Januar veröffentlicht wird, von Platz 22 auf 17. idea-Redakteurin Erika Gitt hat mit dem Präsidenten des Dachverbandes der ­Protestantischen Kirchen in Algerien (Eglise Protestante d’Algérie/EPA), Salah Chalah, gesprochen.

Seit 2018 hat die algerische Regierung insgesamt 14 protestantische Kirchen geschlossen, davon gehörten 13 dem Dachverband der Protestantischen Kirchen in Algerien an. 4.000 Christen sind betroffen. Als Grund dafür nannte sie fehlende Registrierungen. Was richtig ist: Nichtmuslimische Gotteshäuser brauchen seit 2006 eine solche Registrierung. Der Haken: Die Behörden haben in dieser ganzen Zeit noch nie einen Antrag genehmigt.

97 Teilnehmer verhaftet

Auch Pastor Salah Chalah (52) ist betroffen: Seine Pfingstkirche „Full Gospel Church“ in Tizi Ouzou ist mit über 1.000 Mitgliedern eine der größten landesweit und seit Oktober dicht. Immer wieder habe man eine Absage wegen angeblicher Formfehler bekommen, klagt er im idea-Gespräch. Es gebe gar kein offizielles Formular für eine Registrierung, so dass den Behörden viel Spielraum bliebe, eine Genehmigung abzulehnen. Nach der Schließung hätten sie dann friedlich demonstriert: Es endete mit der Verhaftung von 97 Teilnehmern. „Die Polizisten verhörten sie nicht nur, sondern verprügelten auch einige von ihnen“, sagt Chalah. Dann ließen sie alle wieder frei. Ob es noch zur Anklage kommt, kann er nicht sagen. Das hänge vom Wohlwollen der Behörden ab.

Wachstum als Bedrohung

Der Grund für die Gesetze von 2006 ist laut Pastor Chalah recht simpel: Algerien ist ein islamisches Land. Einheimische Christen – vor allem Exmuslime – werden von der Gesellschaft seit jeher nicht anerkannt. Das deutliche Wachstum der evangelischen Kirchen in den 2000er Jahren empfand die Regierung jedoch als Bedrohung: „Auch wenn die Regierung nicht ausdrücklich sagt, dass alle Algerier Muslime sein müssen, tun sie doch viel dafür.“ Gesetze verböten jegliches Verhalten, das „den Glauben eines Muslims stören könnte“ und sieht dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. So könne schon der Besitz einer Bibel oder ein Gespräch darüber zum Problem werden.

Erster Versuch gescheitert

Es ist nicht die erste Schließungswelle, mit der die algerischen Christen konfrontiert sind. 2008 waren 15 Kirchen davon betroffen. Der internationale Druck veranlasste die Behörden jedoch, ihr Handeln rückgängig zu machen. Und das Wachstum gebremst hat es auch nicht: Gab es 2006 nur 20 protestantische Kirchen in Algerien, sind es derzeit etwa 60, so Pastor Chalah. Er setzt nun darauf, dass konkrete Richtlinien für eine Kirchenregistrierung folgen könnten. Auf die Kirchenschließungen reagiert die EPA kreativ. Sie teilen ihre Gottesdienste auf öffentliche Räume, das heißt noch nicht geschlossene Kirchen, und auf Privathäuser auf. „So bleiben wir in der Gesellschaft präsent, können im Privaten jedoch Beziehungen pflegen und Geschwister, die Exmuslime sind, besser schützen.“ Sie seien am verwundbarsten: Immer wieder würden sie aufgrund ihres christlichen Glaubens ihre Arbeit verlieren.

Wenn Muslime Christen helfen

Trotz der sehr bewegten Monate ist Pastor Chalah vorsichtig optimistisch: Er beobachtet, dass die Algerier vereinzelt beginnen, Partei für Christen zu ergreifen. Das habe er vor allem bei den Demonstrationen erlebt, wo sich durchaus auch Muslime für die Wiedereröffnung von Kirchen eingesetzt hätten. Er hofft, dass sich diese Entwicklungen fortsetzen und die algerische Regierung irgendwann folgt.