17.07.2020

Deutschland: Breites Bündnis fordert ein Sexkaufverbot

Evangelische Allianz: In der Politik mehren sich die Stimmen dafür

Berlin (idea) – Ein breites Bündnis von Organisationen und Initiativen fordert ein Verbot der Prostitution in Deutschland. Das geht aus einem Offenen Brief an die Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsparteien und die Ministerpräsidenten der Länder hervor. Zu den Unterzeichnern gehören neben der feministischen Organisation „terre des femmes“ (Land der Frauen/Berlin) und der Initiative „Linke für eine Welt ohne Prostitution“ (Berlin) auch die christlichen Organisationen Kainos (Stuttgart), Mission Freedom (Hamburg), Neustart – christliche Lebenshilfe (Berlin) und Solwodi (Boppard). Anlass für das Schreiben sind Überlegungen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie angeordnete Schließung der Bordelle in Deutschland aufzuheben. Die Politik dürfe dem Drängen der „Prostitutionslobby“ nicht nachgeben, fordern die Organisationen. In der „Realität der Prostitution“ könnten keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen umgesetzt werden. Außerdem erklären die Organisationen, der Staat dürfe den betroffenen Frauen nicht mit Strafen drohen. Viele von ihnen seien „Armutsprostituierte“, die das Geld aus der Prostitution zum bloßen Überleben brauchten. Ihnen müssen „schnellstens staatlich finanzierte Notunterkünfte vermittelt werden“, so das Schreiben. Darüber hinaus setzen sich die unterzeichnenden Organisationen für ein generelles Sexkaufverbot nach dem sogenannten „Nordischen Modell“ ein. Danach werden Freier und Zuhälter mit Strafen bedroht, während die Prostituierten selbst straffrei bleiben und vom Staat mit Geld, Ausbildungs- und Therapieangeboten beim Ausstieg unterstützt werden.

Heimowski: Schnell Gesetzentwurf ausarbeiten

Der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Bundestages und der Bundesregierung, Uwe Heimowski (Berlin), sprach sich gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea ebenfalls für die Einführung des „Nordischen Modells“ in Deutschland aus. Neun von zehn Prostituierten in Deutschland verkauften ihren Körper aus Not oder weil sie mit Gewalt dazu gezwungen würden. Außerdem zeigten die Erfahrungen in Ländern wie Schweden, Norwegen und Frankreich, dass das Nordische Modell auch das gesellschaftliche Klima verändere: „Junge Männer lernen und verstehen, dass Frauen keine Ware sind“, so Heimowski. Aus der Politik gebe es „erfreuliche Signale“. So hätten sich in jüngster Zeit unter anderem die Frauen-Union und der SPD-Landesverband Baden-Württemberg für das generelle Sexkaufverbot ausgesprochen. „Nun gilt es, schnell Gesetzesvorlagen zu erarbeiten.“

Diakonie: Sexkaufverbot verschlechtert die Situation betroffener Frauen

Andere Organisationen wie die Diakonie Deutschland und die von der evangelischen Kirche unterstützte Fachberatungsstelle Dortmunder Mitternachtsmission lehnen ein Sexkaufverbot dagegen ab. Das geht aus einem im November 2019 veröffentlichten „Gemeinsamen Positionspapier“ hervor, das auch von der Deutschen Aids-Hilfe und dem Deutschen Frauenrat unterzeichnet wurde. Darin heißt es, nach den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien könne ein Verbot weder Prostitution verhindern noch ihre negativen Auswirkungen eindämmen. Eine Kriminalisierung erhöhe für die betroffenen Frauen die Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden, und erschwere ihnen den Zugang zu Hilfs- und Beratungsangeboten.