19.01.2009

Türkei: Mehrere Jahre Gefängnis für Messerangriff auf katholischen Priester

Fernsehserie inspirierte 17-jährigen Muslim zur Tat

Türkei: Mehrere Jahre Gefängnis für Messerangriff auf katholischen Priester

Fernsehserie inspirierte 17-jährigen Muslim zur Tat

ISTANBUL, 19. Januar 2009 - Nach dem Messerangriff auf einen katholischen Priester im türkischen Izmir vor über einem Jahr wurde am 5. Januar ein 19-jähriger Muslim zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der zur Tat 17-jährige Ramazan Bay hatte sich im Dezember 2007 nach der Messe in der St.-Antonius-Kirche dem italienischen Geistlichen Adriano Franchini (65) genähert und Interesse am Christentum bekundet. Während des Gespräches wurde Bay ärgerlich, zog ein Messer und rammte es dem Christen in den Bauch. Franchini wurde im Krankenhaus behandelt. Berichten zufolge sagte Bay, der aus Balikesir, etwa 140 Kilometer nördlich von Izmir stammt, er sei von einer Episode der Fernsehserie „Kurtlar Vadisi" (Tal der Wölfe) beeinflusst worden. Die Serie karikiert christliche Missionare als politische „Eindringlinge“, die arme Familien dafür bezahlen, vom Islam zum Christentum zu konvertieren.

Die Fernsehserie soll auch Murat Tabuk beeinflusst haben. Er gestand, dass die populäre ultra-nationalistische Serie ihn zu einem (vereitelten) Anschlag im Dezember 2007 auf Pastor Ramazan Arkan aus Antalya inspiriert habe. Der Pastor erhielt Personenschutz. Mit 20 weiteren protestantischen Gemeindeleitern reichte Arkan Ende 2007 formal Klage bei der Istanbuler Staatsanwaltschaft gegen die Serie „Tal der Wölfe" ein, da das Fernsehstück „Christen als terroristische Gruppe darstellt. Christen werden als Organhändler und Feinde der Gesellschaft dargestellt, die sich an Mafia-Aktivitäten und Prostitution beteiligen, um den christlichen Glauben zu verbreiten. Das Ergebnis waren unzählige, direkte Drohungen, Angriffe auf Anbetungsstätten und schließlich die Abschlachtung dreier unschuldiger Christen in Malatya", hieß es in der Klageschrift. Die protestantischen Leiter forderten Strafverfolgung wegen der Verbreitung von Falschinformationen und der Aufstachelung zur Gewalt gegen Christen.

Obwohl die Türkei säkulare Republik ist, ist der Islam Teil der türkischen Identität. Erst kürzlich wurde staatlicherseits ein Lehrbuch für Oberschulen veröffentlicht, in dem „missionarische Aktivitäten" als destruktiv und gefährlich charakterisiert werden. Wenn der Staat eine tolerantere Haltung einnähme, hätte das auch Auswirkungen auf das Ansehen der Christen in der Gesellschaft. Derzeit herrsche verstärkt eine Antipathie gegen Christen, so ein Sprecher der Allianz protestantischer Gemeinden der Türkei (TEK). Im Jahr 2005 ergab eine Befragung, dass 63 Prozent der Türken eine negative Meinung über Christen haben.

Compass Direct