23.01.2009

Bulgarien: Verletzung der Religionsfreiheit durch den Staat?

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof urteilt über Bulgariens Kirchenstreit

Bulgarien: Verletzung der Religionsfreiheit durch den Staat?

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof urteilt über Bulgariens Kirchenstreit

Straßburg-Sofia, 23.01.2009 (KAP) Ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs könnte die Auseinandersetzungen in der orthodoxen Kirche Bulgariens neu aufrollen. Die Regierung in Sofia habe mit ihrer Parteinahme im Flügelkampf der orthodoxen Kirche das Menschenrecht auf Religions- und Meinungsfreiheit verletzt, urteilten die - mit dem orthodoxen Kirchenrecht und Kirchenverständnis offensichtlich wenig vertrauten - Straßburger Richter am 22. Januar.

Das Religionsgesetz von 2002 habe die nach der "Wende" entstandenen Flügel der bulgarischen Orthodoxie zur Einigung unter Patriarch Maksim gezwungen und damit gegen die religiöse Neutralität des demokratischen Staates verstoßen. Die Enteignung von Gotteshäusern, die vom sogenannten "alternativen Heiligen Synod" im Jahr 2004 kontrolliert wurden, sei ein Verstoß gegen die in Artikel 9 der Menschenrechtskonvention festgeschriebene Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Das Gericht verurteilte den bulgarischen Staat zur Zahlung von 8.000 Euro Entschädigung für Prozesskosten an den "alternativen Synod".

Geklagt hatte in Straßburg die oppositionelle Fraktion um Metropolit Innokentij. Diese Fraktion hatte sich im Zuge der politischen "Wende" von der als regimetreu kritisierten Kirche unter Patriarch Maksim losgesagt. Eine Aktion der bulgarischen Sicherheits- und Justizbehörden führte 2004 zum Zerfall der Strukturen der Innokentij-Anhänger. Die meisten Anhänger kehrten zu Patriarch Maksim zurück. Die Weltorthodoxie hatte das Vorgehen der Anhänger Innokentijs einhellig verurteilt.

Ob die im "alternativen Synod" versammelten Metropoliten auch Anspruch auf Entschädigung wegen eines erlittenen moralischen Schadens haben, werde der Gerichtshof noch klären, sagte dessen Sprecherin der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Nach Verstreichen der dreimonatigen Revisionsfrist werde das Ministerkomitee des Europarates entscheiden, ob und wie es Bulgarien auf Grundlage des Urteils zu einer Reform seines Staatskirchenrechts drängen werde.

Das Schisma des "alternativen Synods" war 1992 offen zutage getreten, als sich mehrere Metropoliten mit Unterstützung der damaligen, vom Westen hofierten Regierungspartei der Kirche bemächtigen wollten. Mit dem Religionsgesetz von 2002 suchte die Regierung unter dem früheren bulgarischen Zaren Simeon Saks-Koburggotski den Kirchenstreit zu beenden. Das Gesetz erklärte den Heiligen Synod um Patriarch Maksim zum einzigen Repräsentanten der bulgarischen Orthodoxie. Der Patriarch forderte vom "alternativen Synod" die Rückgabe von 250 Immobilien, darunter etwa 40 Kirchen. Die bulgarischen Sicherheits- und Justizbehörden setzten die Rückgabe durch.

Quelle: Katholische Presseagentur Kathpress, Wien

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