29.12.2010

Türkei: Prozess um Christenmorde zieht Kreise

Malatya (idea) – Der Prozess um die Ermordung von drei Christen in der südosttürkischen Stadt Malatya im Jahr 2007 zieht Kreise. Die deutsche Witwe eines Mordopfers möchte, dass Verbindungen der Angeklagten zu einer nationalistischen Verschwörung offengelegt und die Drahtzieher zur Rechenschaft gezogen werden.

Sie glaube nicht, dass die fünf Angeklagten allein für die Morde verantwortlich seien, sagte Susanne Geske der türkischen Tageszeitung Zaman. Der dreifache Mord ereignete sich am 18. April 2007. Auf brutale Weise wurden der Deutsche Tilmann Geske sowie zwei Mitarbeiter des protestantischen Zirve-Verlags in Malatya, Necati Aydin und Ugur Yüksel, getötet. Die Täter fesselten und folterten die Opfer, bevor sie ihnen die Kehlen durchschnitten. Angeklagt sind Hamid Ceker, Emre Gunaydin, Salih Gurler, Cuma Özdemir und Abuzer Yildirim.

Daten-CD mit Anschlagsplänen

Die Nebenkläger gehen davon aus, dass hinter den Verbrechen ultra-nationale islamistische Kreise stecken, die durch gezielte Morde an nicht-muslimischen Minderheiten das Ansehen der Regierung im Ausland beschädigen wollen. Es wird vermutet, dass die Organisation Ergenekon in die Bluttaten verwickelt ist. Ihr gehören frühere Generäle, Politiker und andere Schlüsselpersonen an. Die türkische Generalstaatsanwaltschaft stuft sie als terroristische Vereinigung ein. Vor einem Jahr wurde im Haus eines ehemaligen Marineoffiziers eine Daten-CD mit Anschlagsplänen entdeckt. Auf den Dateien sollen sich die Namen protestantischer Zielpersonen und einiger ihrer Kinder befinden. Als „Operationen“ genannt seien die Morde an dem katholischen Priester Andrea Santoro im Jahr 2006, an dem armenischen Publizisten Hrant Dink und die Bluttat von Malatya (beide 2007). Das Gericht in Malatya hatte bisher die Untersuchung möglicher Verbindungen zwischen den Angeklagten und Ergenekon abgelehnt. Jetzt sollen nach Angaben des Informationsdienstes Compass Direct zwei Zeugen über die hinter der Ermordung stehenden Pläne aussagen dürfen. Über 95 Prozent der 72 Millionen Einwohner der Türkei sind Muslime. Von den rund 120.000 Christen gehören etwa 4.000 zu evangelikalen Gemeinden.