26.11.2010
Ukraine : Wo Gott weint
Eine Kirche, die verschwinden sollte - Interview mit Kardinal Husar von Kiew
Ukraine : Wo Gott weint
Eine Kirche, die verschwinden sollte - Interview mit Kardinal Husar von Kiew
KIEW, Ukraine, 26. November 2010 (Zenit.org).- Es war beschlossene Sache: Die ukrainische Kirche sollte verschwinden. Das war die stille Absicht der sowjetischen Machthaber. Das kommunistische Regime hatte im Jahre 1946 versucht, die Kirche in der Ukraine auszulöschen, aber die Gläubigen praktizierten ihren Glauben mehr als 40 Jahre lang intensiv im Untergrund. Die Kirche in der Ukarine lebte unter der Herrschaft des brutalsten atheistischen Systems aller Zeiten als Katakombenkirche weiter.
Lubomyr Husar, der später Oberhaupt der ukrainischen Kirche werden sollte, wurde im Jahr 1933 in Kiew geboren. Während der kommunistischen Unruhen flüchtete seine Familie jedoch ins Ausland. Zunächst fanden sie in Österreich Zuflucht. Dann ließen sie sich schließlich im Jahre 1949, in den Vereinigten Staaten nieder. Zwanzig Jahre lang lebte die Familie Husar in den USA, wo der junge Lubomyr seine Berufung zum Priestertum verspürte. Nach seiner theologischen Ausbildung wurde er im Jahre 1958 in der ukrainischen Eparchie Stamford, Connecticut, zum Priester geweiht.
Danach lebte er mehr als zwanzig Jahre in Italien und kehrte schließlich nach 46-jähriger Abwesenheit wieder in seine ukrainische Heimat zurück. Mit 71 Jahren erhob ihn Papst Johannes Paul II. in den Rang eines Kardinal. Jetzt ist der 77 Jahre alte Husar Großerzbischof von Kiew.
In diesem Interview mit der Fernsehsendung „Wo Gott weint" des katholischen Radio- und Fernsehsenders (CRTN reflektiert der Kardinal über die Hand der göttlichen Vorsehung in seiner Kirche, die eigentlich „hätte verschwinden sollen".
Ihre Eltern waren sicherlich ein Vorbild für Sie. Hatten sie schon immer den Wunsch oder Sinn für eine Berufung verspürt?
-- Kardinal Husar: Diese Tatsache ergab sich schon sehr früh. Ich glaube, es war noch vor meinem zehnten Lebensjahr, als ich irgendwie diesen Wunsch verspürte, Priester zu werden. Nun, während des Krieges war es natürlich sehr schwierig - man konnte nur davon träumen - aber als der Krieg vorbei war und wir im Jahre 1949 in die Vereinigten Staaten kamen, war es möglich, diesen Traum zu verwirklichen und drei Wochen nach unserer Ankunft in die Vereinigten Staaten trat ich in das Priesterseminar ein.
Gab es in Ihrem jungen Alter von 10 Jahren eine Person oder ein Ereignis, das diesen Wunsch ja zur priesterlichen Berufung zu sagen, ausgelöst hat?
-- Kardinal Husar: Ich glaube, es war das gute Beispiel der Priester in der Kirche, in die meine Familie in der Regel ging. Die Kirche stand unter der Obhut der Redemptoristenpatres. Sie arbeiteten sehr eifrig, predigten sehr gut und trugen Sorge für die Gläubigen, die zu ihrer Kirche kamen. Als kleiner Junge war ich Mitglied einer, der Gottesmutter geweihten Gemeinschaft ("Mutter von der Immerwährenden Hilfe"), in der uns die Redemptoristen sammelten und begleiteten. Ich bin mir sicher, dass dies irgendetwas mit meiner Berufung zu tun hatte.
Sie sind nun verantwortlich für die griechischen Katholiken, nicht nur in der Ukraine, sondern auch in der Diaspora und viele von ihnen leben in den Vereinigten Staaten. Sehen Sie es als Vorsehung, dass Sie so früh in die Vereinigten Staaten kamen, damit Sie die Kultur und die Menschen dort kennenlernen?
--Kardinal Husar: Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die Geschichte unserer Kirche in den letzten, sagen wir 130 Jahren, von der ersten Einwanderungswelle in die USA - in den 1880er Jahren und 1890er Jahren -, die sich dann nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wiederholte, irgendwie Vorsehung war. Dass unsere Kirche sich in Nord- und Südamerika etablieren konnte und fähig war, die schwierigen Jahre, in denen die Heimatkirche verfolgt wurde, zu überleben, hat uns sehr viel geholfen. Ich glaube, heute kommt eine vierte Welle in die USA und nach Kanada, die nun in den Kirchen, die seit hundert Jahren existieren, eine neue Heimat für sich sucht.
Ich sehe es auch als ein Werk der Vorsehung an, dass wir der Gemeinschaft dienen können - aber nicht nur unserer eigenen Gemeinschaft helfen, den Glauben und die Tradition zu pflegen - sondern auch für andere Zeugen des wahren Katholizismus, von der Weite und Fähigkeit der Kirche sein können, in verschiedenen Kulturen und Sprachen zu bestehen und ich fühle, dass dies irgendwie auch ein Akt der göttlichen Vorsehung ist.
Welche ist die tiefste Narbe, die der Kommunismus in den Herzen oder in der Spiritualität der Menschen zurückgelassen hat?
--Kardinal Husar: Ich weiß nicht, ob ich in der Lage wäre, eine bestimmte Narbe zu identifizieren - als Schlimmste gewissermaßen - aber generell ist es der Mangel an Vertrauen auf die Menschen, auf die Nachbarn und sogar auf Mitglieder der eigenen Familie, weil das ganze System auf ein System der Angst aufgebaut war und die Angst darin bestand, niemandem vertrauen zu können.
[Dieses Interview wurde von Mark Riedemann für die wöchentliche Fernseh- und Radiosendung „Wo Gott weint" des katholischen Radio- und Fernsehsenders CRTN in Verbindung mit dem internationalen katholischen Hilfswerk „Kirche in Not" geführt. - kirche in Not.at kirche-in-not.ch kirche in not.de - Übersetzung aus dem Englischen von Susanne Czupy]
www.zenit.org