29.08.2011

Türkei: Ein historischer Schritt ?

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den christlichen und jüdischen Minderheiten durch eine Regierungverordnung am Wochenende - für türkische Verhältnisse große - Zugeständnisse gemacht

Türkei: Ein historischer Schritt ?

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den christlichen und jüdischen Minderheiten durch eine Regierungverordnung am Wochenende - für türkische Verhältnisse große - Zugeständnisse gemacht

Die Türkei hat eine Verordnung erlassen, wonach sie christlichen und jüdischen Minderheiten ihren Besitz zurückerstattet und ihnen enteignete Immobilien zurückgibt. Der türkische Nachrichtensender "NTV" meldet, dass davon alle im Jahr 1936 als Stiftungsbesitz angemeldeten Gebäude betroffen sind. Sollten die Immobilien inzwischen an Dritte verkauft worden sein, würden die Altbesitzer entschädigt.



Vor allem Politiker und kirchliche Würdenträger werteten dies als historischen Schritt zur Besserstellung von Christen und Juden im Land. Eine Anwältin der Christen begrüßte, laut "RP Online" die Geste, die kurz vor einem Treffen von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit Vertretern der nicht-muslimischen Minderheiten am Wochenende bekannt wurde. Laut Online-Nachrichtenportal "Sueddeutsche.de" zählten Streitigkeiten um enteigneten Kirchenbesitz bisher zu den größten Problemen der Christen in der Türkei.

 Erdogan hatte sich am Sonntag mit Vertretern von 161 nicht-muslimischen Stiftungen der Türkei zu einem Essen zum Fastenbrechen im Archäologischen Museum in Istanbul getroffen. Dies war ein Novum in der türkischen Geschichte. Der Politiker betonte dort, dass das türkische Volk aus einem einzigartigen Erfahrungsschatz schöpfe. Die türkische Regierung unter Führung der AKP (deutsch: Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) habe in den vergangenen neun Jahren entschieden für die Demokratisierung und gegen das Unrecht gekämpft. Bestrebungen, die das friedliche Zusammenleben torpedieren, verurteilte der Politiker und sprach die Hoffnung aus, dass dies der Vergangenheit angehöre.

"Korrektur eines Unrechts"

Die Verordnung betrifft auch zahlreiche Immobilien in bester Marktlage in Istanbul und dürfte die Türkei mehrere Milliarden Euro kosten. Bereits in den Jahren 2003 und 2008 hatte die Erdogan-Regierung Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht, um die Rechtsstellung der nichtmuslimischen Stiftungen zu verbessern. Mit dem jüngsten Vorstoß entfällt für die Stiftungen nun endgültig die Notwendigkeit, sich ihren Besitz vor Gericht zu erstreiten.

Das Internetportal "www.migazin.de" zitiert den jüdischen Großrabbiner Ishak Haleva mit den Worten: "Heute ist ein historischer Tag. Das Licht des Osmanisches Reiches leuchtet weiter." Auch der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomäus bedankte sich bei der türkischen Regierung für die "Korrektur eines Unrechts". Der syrisch-orthodoxe Erzbischof Yusuf Çetin äußerte sogar die Hoffnung, nun auch mit dem Bau neuer Kirchen beginnen zu können. (pro)

VON: JW | 29.08.2011