19.12.2011
Nordkorea: Können Christen aufatmen?
Verfolgung: Menschenrechtsorganisationen sehen bestenfalls Hoffnungsschimmer
Nordkorea: Können Christen aufatmen?
Verfolgung: Menschenrechtsorganisationen sehen bestenfalls Hoffnungsschimmer
Pjöngjang (idea) – Welche Auswirkungen hat der Tod des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-Il für die bedrängten Christen des Landes? Christliche Menschenrechtsorganisationen und die EKD erwarten keine unmittelbaren Verbesserungen. Bestenfalls hegen sie die Hoffnung, dass sich der Druck des kommunistischen Regimes unter dem designierten Nachfolger Kim Jong-Un mittelfristig lockern könnte. Das geht aus Stellungnahmen auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea am Tag nach der Bekanntgabe des Todes des „großen Führers“ hervor. Kim Jong-Il war nach Angaben nordkoreanischer Medien am 17. Dezember während einer Inspektionsreise an Herzversagen gestorben. Die Gesundheit des 69-Jährigen galt nach einem Schlaganfall im Jahr 2008 als angeschlagen. Designierter Nachfolger ist sein jüngster Sohn Kim Jong-Un (28), der im vorigen Jahr zum General ernannt worden war. Nordkorea gilt weltweit als das Land mit der schlimmsten Christenverfolgung. Erlaubt ist nur der Kult um den „Ewigen Präsidenten“ Kim Il-Sung (1912-1994) und den jetzt verstorbenen Diktator Kim Jong-Il. Wer sich der Verehrung verweigert, wird verfolgt. Nach Schätzungen werden bis zu 70.000 Christen in über 30 Arbeits- und Straflagern gefangen gehalten, weil sie als Staatsfeinde gelten. Von den 24 Millionen Einwohnern sind offiziellen Angaben zufolge etwa 12.000 Protestanten und 800 Katholiken, die zu vier staatlich anerkannten Kirchengemeinden gehören. Mindestens 200.000 versammeln sich im Untergrund.
Machtkämpfe im Norden?
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) erwartet keine unmittelbaren Veränderungen, wie Vorstandssprecher Martin Lessenthin (Frankfurt am Main) am 19. Dezember auf Anfrage von idea sagte. Doch gebe es einen Hoffnungsschimmer. Unter Umgehung seiner älteren Brüder sei Kim Jong-Un zum Leiter der Trauerkommission ernannt worden. Mit spektakulären Umbrüchen sei zunächst nicht zu rechnen, aber zum ersten Mal keime „ein bisschen Hoffnung“ auf, so Lessenthin. Ähnlich äußerte sich der Leiter der Hilfsaktion Märtyrerkirche, Pastor Manfred Müller (Uhldingen/Bodensee). Nach seiner Einschätzung wird sich für Christen nichts bessern. Die Hauptfrage sei, ob das kommunistische System stabil bleibe oder Machtkämpfe einsetzten. Auch das Hilfswerk Open Doors (Kelkheim bei Frankfurt am Main), das sich für verfolgte Christen engagiert, geht nicht von Entspannung aus. Kim Jong-Un habe er bereits in jüngster Zeit Anstrengungen unternommen, religiöse Aktivitäten im Untergrund aufzudecken. Es sei vermehrt zu Hausdurchsuchungen gekommen, und Spione seien gezielt dazu ausgebildet worden, religiöse Netwerke zu unterwandern.
Südkoreanische Kirchen: Zur Trauer nach Pjöngjang fahren
Laut Oberkirchenrat Paul Oppenheim (Hannover) vom Referat „Ferner Osten“ der Abteilung Auslandsarbeit im EKD-Kirchenamt ist es schwer zu sagen, ob der Führungswechsel in Nordkorea im Inneren des Landes Veränderung bringt. Kim Jong-Un müsse zunächst einmal zeigen, dass er die bisherige Politik weiterführen könne, sagte Oppenheim auf idea-Anfrage. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass er sich mit Konzessionen profilieren werde. Außenpolitisch biete ein Wechsel jedoch eine Chance. Die südkoreanische Regierung sei jetzt gefragt, ob sie ein Signal der Lockerung geben wolle. In jüngster Zeit habe „Seoul“ einen harten Kurs gegenüber „Pjöngjang“ vertreten. Der Nationale Rat der Kirchen in Südkorea habe jetzt die Regierung aufgefordert, eine Delegation zu den Trauerzeremonien für Kim Jong-Il im Norden zu entsenden. Darin könnten auch Repräsentanten der Kirchen und anderer gesellschaftlicher Gruppen vertreten sein. Eine Wiedervereinigung des fast hermetisch getrennten Landes ist nach Oppenheims Einschätzung am besten durch kleine Schritte menschlicher Begegnung zu erreichen. Besuche, Telefonate, Informationen per Hörfunk und Fernsehen seien dort – anders als während der deutschen Teilung – kaum möglich. Oppenheim hatte im Jahr 2009 eine Delegation des Rates der EKD bei einer Reise nach Nordkorea begleitet.
Weihnachtsdekorationen heizen Spannungen an
Die Spannungen im geteilten Korea waren vor Weihnachten gestiegen. Auslöser waren südkoreanische Dekorationen zum Christfest in der Grenzregion. Etwa drei Kilometer von der Demarkationslinie am 38. Breitengrad entfernt werden drei bis zu 50 Meter hohe Metalltürme mit Lichtern und beleuchteten Kreuzen geschmückt. Sie sind bis in die nordkoreanische Stadt Kaesong zu sehen. Das Regime in Pjöngjang wirft dem Süden vor, mit „psychologischer Kriegsführung“ die Nordkoreaner zum Christentum bekehren zu wollen. Bis 2003 waren die Dekorationen bereits errichtet worden; dann schlossen beide Seiten ein Abkommen, das „Propaganda“ an der hermetisch abgeriegelten Grenze verbot. Die Spannungen hatten sich aber Ende März 2010 verschärft, als ein südkoreanisches Kriegsschiff versenkt wurde; 46 Marinesoldaten kamen ums Leben. Nordkorea bestreitet jede Beteiligung an dem Vorfall.
Unterschiedliche religiöse Entwicklung im Süden
Im August 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde das Land nach der japanischen Besatzung in eine sowjetische und eine US-amerikanische Zone geteilt. Seit dem Koreakrieg (1950-1953) sind beide Landesteile nahezu hermetisch voneinander abgeriegelt. Politisch und religiös haben sie sich völlig unterschiedlich entwickelt. So hat sich im Süden das Christentum weit ausgebreitet. Von den 48,5 Millionen Einwohnern sind 31 Prozent Christen. Südkorea gehört zu den Ländern mit den meisten Auslandsmissionaren: 21.500 Christen sind in 175 Ländern tätig. 31 Prozent der Einwohner gehören keiner Religion an, 23,7 Prozent sind Buddhisten und sieben Prozent Anhänger von Stammesreligionen. Hinzu kommen kleine Gruppen anderer Religionen.