04.02.2011

Usbekistan: Gewissensgefangener entlassen, aber nicht frei

AKREF/JJ -  5.2.2011 - Der nach Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe kürzlich entlassene ehemalige Gewissensgefangene Dmitry Shestakov ist weiterhin schwerwiegenden Einschränkungen seiner Freiheit unterworfen. Er wurde unter "administrative Aufsicht" gestellt. Ein Jahr lang muss er sich fast jede Woche persönlich bei der Polizei melden, darf sein Haus zwischen 21.00 Uhr und 06.00 Uhr früh nicht verlassen und darf keine Orte aufsuchen, an denen Alkohol ausgeschenkt wird, wie Restaurants oder auch Kaffeehäuser. Seinen Wohnort Andijan darf er ohne schriftliche Zustimmung der Polizei nicht verlassen. "Er wurde aus dem Gefängnis entlassen, aber er ist nicht frei", klage ein Protestant gegenüber Forum 18. Shestakov ist Pastor einer offiziell registrierten Pfingstgemeinde in Andijan im Osten Usbekistans, der wegen der Ausübung seines Rechts auf Religionsfreiheit eingekerkert war. Er war nach Artikel 216 des Strafgesetzbuchs ("illegale Errichtung oder Wiedererrichtung illegaler öffentlicher Vereinigungen oder religiöser Organisationen sowie aktive Teilnahme an ihren Aktivitäten") sowie Artikel 244-1, Teil 2 verurteilt worden. Der letztgenannte Artikel verbietet die Verbreitung von religiös extremistischen, separatistischen und fundamentalistischen Ideen, Aufrufe zur Gewalt, die Verbreitung verleumderischer Lügen und "sonstige Handlungen gegen die etablierten Verhaltensregeln der Gesellschaft und die öffentliche Ordnung". Nach diesen weit gefassten Bestimmungen wurde Shestakov im März 2007 zu vier Jahren in einem offenen Arbeitslager verurteilt, das Urteil wurde danach verschärft und Shestakov in ein geschlossenes Arbeitslager gebracht.
Am 21. Januar 2011 wurde Dmitry Shestakov aus dem Gefängnis Nr. 29 in Navoi in Zentralusbekistan entlassen. Bei seiner Entlassung waren zahlreiche Sicherheitspolizisten in Zivil anwesend. Shestakiov verließ das Gefängnis in Anstaltskleidung, einer dunklen Jacke, dunklen Hose und dunklen Kappe. Er wurde von seiner Frau und seinen drei Töchtern begrüßt.

Kein Einzelfall

In Usbekistan gibt es zahlreiche Gewissensgefangene, die nur wegen der Ausübung ihres Rechts auf Religionsfreiheit eingekerkert sind. Der Protestant Tohar Haydarov wurde im März 2010 aufgrund erfundener Anklagen zu 10 Jahren Haft verurteilt. Auch sehr viele Moslems, insbesondere Leser der Werke des Theologen Said Nursi, wurden wegen der Ausübung ihrer religiösen Rechte zu langjährigen Kerkerstrafen verurteilt. Weiters befinden sich derzeit mindestens drei Zeugen Jehovas im Gefängnis bzw. Arbeitslager, wobei das Strafausmaß zwischen dreieinhalb und vier Jahre beträgt.
Auch kurze Freiheitsstrafen von bis zu 15 Tagen nach dem Verwaltungsstrafgesetzbuch  werden nach wie vor zur Einschüchterung gegen religiös aktive Personen verhängt. Bisher waren davon Protestanten, Zeugen Jehovas und Bahai betroffen. So wurden kürzlich die beiden Baptisten Artur Alpayev und Edward Kim von einer nicht registrierten Gemeinde in Fergana im Osten Usbekistans wegen Artikel 240 ("Verstoß gegen das Gesetz über religiöse Organisationen") und Artikel 186 ("Herstellung und Verkauf hausgemachter alkoholischer Getränke") verurteilt. Dass sie keine alkoholischen Getränke verkauft, sondern religiöse Literatur verteilt hatten, spielte bei der nur wenige Minuten dauernden Gerichtsverhandlung keine Rolle.

"Administrative Aufsicht"

Kurz nach der Entlassung von Pastor Shestakov am 21. Januar 2011 ersuchte die Verwaltung des Gefängnisses Nr. 29 das Strafgericht von Navoi, Shestakov unter administrative Aufsicht zu stellen. Die Gefängnisleitung behauptete, Shestakov hätte die Regeln im Gefängnis andauernd verletzt, was Personen, die ihn kennen, in Abrede stellen. Das Gericht verfügte die Aufsicht für ein Jahr.
Ein Menschenrechtsaktivist, der aus Furcht vor staatlichen Repressalien nicht namentlich genannt werden will, erklärte gegenüber Forum 18, dass die Dauer der administrativen Aufsicht zwischen 1 Monat und 1 Jahr liegt. Gegen Shestakov wurde also der längst mögliche Zeitraum verhängt. "Gewöhnlich werden nur Räuber und gewalttätige religiöse Extremisten unter administrative Aufsicht gestellt", erklärte der Menschenrechtsaktivist.
Wer gegen die Regeln der Aufsicht verstößt, kann mit hohen Geldstrafen oder bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden.
"Die Polizei wird alles in ihrer Macht stehende tun, um ein Strafverfahren gegen Dmitry Shestakov einzuleiten und ihn wieder ins Gefängnis zu bringen", klagten Protestanten. "Die Polizei kann Drogen, Munition, Sprengstoff, Waffen oder auch religiöse Literatur bei ihm einschmuggeln. Das haben sie auch bei Moslems getan", so der vorher genannte Menschenrechtsaktivist.
Quelle: Forum 18 News Service, Oslo
Deutsche Fassung: AK Religionsfreiheit der Österreichischen Evangelischen Allianz