04.01.2011
Ägypten:Mit Holzkreuzen gegen die Regierung
Vor dem orthodoxen Weihnachtsabend am Donnerstag wächst in Ägypten die Furcht, die Spannungen zwischen Christen und Muslimen könnten eskalieren. Die Behörden gehen davon aus, dass die Al-Kaida für den Anschlag verantwortlich ist.
Drei Tage nach dem Selbstmordanschlag von Alexandria gehen die ägyptischen Behörden von einer Tat der Al-Kaida aus. Die Zeichen deuteten auf einen von der islamischen Extremistenorganisation verübten Anschlag hin, hieß es am Montag in Kreisen der Sicherheitskräfte. Jetzt würden Personen unter die Lupe genommen, die unlängst aus Ländern eingereist seien, in denen die Al-Kaida Attentäter rekrutiert habe. Zudem seien die Ausreisekontrollen an den See- und Flughäfen verstärkt worden. Damit sollten Tatbeteiligte an der Flucht gehindert werden.
In den Straßen der ägyptischen Hauptstadt Kairo hatten zuvor mehrere Hundertschaften der Sonderpolizei Position bezogen. Alle Zufahrtsstraßen zu dem koptischen Gotteshaus in der Hafenstadt Alexandria blieben auch am Montag abgeriegelt. Im ganzen Land errichtete die Polizei Straßensperren, die Kontrollen an den Flughäfen wurden verschärft. Alle Offiziere erhielten eine Urlaubssperre. Zu dem Anschlag in der Neujahrsnacht, der 21 Menschen das Leben kostete und 80 verletzte, hat sich bisher niemand bekannt.
Der Zorn der koptischen Minderheit, zu der etwa zehn Prozent der 80 Millionen Ägypter gehören, richtet sich zunehmend auch gegen die Regierung und Präsident Hosni Mubarak. Am Sonntag versuchten koptische Müllsammler aus den Slums in den Moqqatam-Bergen am Rande der ägyptischen Hauptstadt, mit selbst gebastelten Holzkreuzen ins Stadtzentrum zu marschieren und vor den Gebäuden des Außenministeriums und des staatlichen Fernsehens zu demonstrieren. Einheiten der Sonderpolizei, teilweise bis zu neun Reihen tief gestaffelt, hielten die wütende Menge zurück. Die Sicherheitskräfte verzichteten auf den Einsatz von Knüppeln und Tränengas, um die Menschen nicht noch weiter zu reizen.
Vor dem Amtssitz des koptischen Papstes Shenouda III. an der Ramses-Straße traktierten junge Christen das Fahrzeug des Großscheichs Ahmed el-Tayeb, des obersten sunnitischen Glaubenshüters, der sein Beileid überbringen wollte. Wirtschaftsminister Osman Mohammed Osman und seine Entourage mussten vor Steinwürfen Reißaus nehmen. Anschließend machten Kopten im Umkreis der Kathedrale ihrem aufgestauten Ärger mit schweren Ausschreitungen Luft. Dabei wurden mindestens 45 Polizisten verletzt.
Die Christen beklagen seit langem, sie würden von Polizei und Justiz diskriminiert und fühlen sich von der Politik als Staatsbürger zweiter Klasse behandelt. So hatten muslimische Attentäter am koptischen Weihnachtsfest 2010 in der südägyptischen Ortschaft Nag Hammadi aus einem fahrenden Auto heraus sechs junge Kirchgänger erschossen, als diese nachts aus der Kirche kamen. Die Täter wurden anschließend zwar gefasst, sind aber bis heute nicht verurteilt.
Im Jahr 2009 vernichtete die Regierung ohne jeden medizinischen Grund die Existenzgrundlage Zehntausender Müllsammler, als sie – angeblich wegen der Schweinegrippe – deren 300.000 Schweine keulen ließ. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte dafür kein Verständnis. Die Kopten vermuteten, die Entscheidung sei allein auf muslimischen Druck hin gefallen. Schweine gelten im Koran als unreine Tiere.