09.06.2011
Deutschland: Entführung?
Nahm ein Christ seine Kinder mit in den Sudan?
Celle (idea) – Eine möglicherweise religiös motivierte Entführung hält die Bevölkerung im niedersächsischen Ort Hermannsburg bei Celle in Atem. Nach Polizeiangaben befindet sich der 37-jährige Axel Hüls mit seinen vier Kindern vermutlich im Sudan oder einem benachbarten Land. Am Ostersonntag (25. April) hatte der als „christlicher Fundamentalist“ beschriebene Mann die Buben Jonas (8) und Benjamin (6) sowie die Mädchen Miriam (5) und Lisa (4) bei seiner getrennt lebenden Ehefrau für eine Fahrradtour abgeholt. Dabei entwendete er die Pässe der Kinder. Zusammen fuhren sie zum Flughafen Hannover und flogen in den ägyptischen Badeort Hurghada. „Dort dürfte er sich mit den Kindern noch eine Zeit lang aufgehalten, dann aber mit unbekanntem Ziel in den Sudan abgesetzt haben“, heißt es im Fahndungsaufruf der Polizei. Dokumentiert ist, dass die fünf am 9. Mai mit einem Schiff die Grenze zum Sudan überquerten.
Christ ohne Kirchenmitgliedschaft
Hüls war bis vor fünf Jahren Mitglied der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Hermannsburg. Seinen Austritt begründete er damit, dass die Kirche theologisch zu liberal sei. Danach zog er in einen anderen Ort. Zur SELK oder einer anderen christlichen Gruppierung in Hermannsburg habe er keinen Kontakt mehr gehabt, sagte Pastor Hans-Heinrich Heine der Evangelischen Nachrichtenagentur idea auf Anfrage. Hüls habe sich zu einem Einzelgänger entwickelt, der seine Ansichten vor allem im Internet verbreite. Seine Homepage www.gottistwahrheit.de enthält folgende Selbstdarstellung. „Ich bin Christ. Für mich gibt es nur den einen und wahren, allmächtigen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, das Meer, und alles, was darin ist. Ich bin nicht Katholik, nicht Lutheraner, Calvinist, Pfingstler, Protestant, Evangelisch, Zeuge Jehovas, Adventist oder sonst irgendeine Konfession. Nur Christ - im ursprünglichen Sinn eines Nachfolgers, Schülers und Bruders von Jesus Christus.“ In dem Artikel distanziert sich Hüls „entschieden von allem, was von Vertretern und Mitgliedern der Kirchen – im Lauf der Geschichte bis zum heutigen Tag – an Grausamkeiten und Ungerechtigkeit verübt wurde, und noch immer verübt wird, oftmals angeblich im Namen Gottes“. Besuchern seiner Internetseiten bietet Hüls Gespräche, Vorträge oder Diskussionen an, „auch und insbesondere mit Muslimen und anderen Glaubensrichtungen“. An einer anderen Stelle schrieb er, dass in Ländern, wo Christen verfolgt und unterdrückt werden, besonders viele Menschen zu Jesus Christus fänden. Das sei beispielsweise in islamisch geprägten Ländern der Fall.
Urlauber sollen bei der Suche helfen
Aus solchen Sätzen hätten Ermittler und Kirchenexperten auf eine „christlich fundamentalistische Einstellung“ geschlossen, teilte der Pressesprecher der Polizeiinspektion Celle, Peter Großmann, idea mit. Ein Zusammenhang zwischen Hüls’ Vorstellungen von einer christlichen Erziehung und der Entführung der Kinder in ein islamisches Land lasse sich nicht ausschließen. Die Bild-Zeitung berichtete, dass immer extremer werdende religiöse Überzeugungen des Mannes auch der Grund gewesen seien, warum die Mutter das alleinige Sorgerecht für die Kinder erhalten habe. Ob sich Hüls und seine Kinder immer noch im Sudan aufhalten, weiß niemand. Laut „Bild“ fragen sich seine Familienangehörigen, warum er ausgerechnet in ein so gefährliches Land geflohen sein sollte. Er habe keine Beziehungen in den Sudan gehabt. Auch die Polizei hält es für möglich, dass Hüls und seine vier Kinder den Sudan bereits wieder verlassen haben. Sie bittet Urlauber in Ägypten und im Sudan, bei der Suche nach ihnen zu helfen.
Sudan: Heiliger Krieg gegen Christen
Der Sudan gehört zu den Staaten mit den größten Christenverfolgungen weltweit. In einem Krieg, den die muslimische Zentralregierung in Khartum zur Islamisierung des christlich-naturreligiös geprägten Süden des Landes führte, kamen über zwei Millionen Menschen um und sieben Millionen wurden vertrieben. Im Januar stimmten über 90 Prozent der südsudanesischen Bevölkerung für eine Unabhängigkeit vom Norden. Grenzstreitigkeiten haben inzwischen zu einer neuerlichen Fluchtwelle geführt. Von den rund 36 Millionen Einwohnern des gesamten Sudans sind 65 Prozent Muslime. Die 24 Prozent Christen und 11 Prozent Anhänger von Naturreligionen leben meist im Süden.