19.03.2011
Tadschikistan: Glaubensfreiheit - ein Fremdwort
Im Vorfeld der periodischen Überprüfung Tadschikistans durch den UN Menschenrechtsrat im Oktober 2011 stellt der Nachrichtendienst Forum 18 in seiner Untersuchung zur Religionsfreiheit fest, dass der Staat Tadschikistan Menschen, die ihre Religions- oder Glaubensfreiheit und andere grundlegende Menschenrechte ausüben, mit wachsender Feindseligkeit begegnet. Alle unabhängigen Aktivitäten innerhalb und außerhalb der islamischen Gemeinschaft, welche die Bevölkerungsmehrheit stellt, werden immer wieder zum Ziel staatlicher Repressalien. Seit 2007 wurden zahlreiche Moscheen, die einzige Synagoge des Landes in der Hauptstadt Duschanbe und protestantische Kirchen bzw. Gemeindehäuser geschlossen, abgerissen oder ohne Entschädigung konfisziert. Den Zeugen Jehovas wurde 2007 jede Betätigung verboten. Im selben Jahr wurden zwei protestantische Gemeinschaften vorübergehend verboten, eine davon durfte 2008 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Im April 2009 trat ein neues Religionsgesetz in Kraft, das irreführend den Titel „Gesetz über die Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen“ trägt.
Es sieht eine strenge Registrierungspflicht vor. Jede religiöse Betätigung ohne staatliche Registrierung ist verboten. Auch bereits registrierte Gemeinschaften mussten sich bis 1. Januar 2010 neu registrieren lassen. Einigen Moscheen wurde die Neuregistrierung verweigert, viele warten noch darauf. Ebenso der zur Registrierung bereite Baptistenbund und die einzige Synagoge des Landes, der inzwischen ein Ausweichgebäude für die abgerissene Synagoge angeboten wurde. Einigen nicht moslemischen Gemeinschaften wurden bei der Neuregistrierung territoriale Beschränkungen auferlegt, d.h. sie dürfen nicht mehr im ganzen Land tätig sein, sondern nur mehr in der Stadt oder dem Bezirk, die in ihren Statuten angegeben sind. Vielleicht weil der Islam die Religion der Bevölkerungsmehrheit ist, unterliegen Moscheen einer besonderen Kontrolle. Unabhängige islamische Gemeinschaften außerhalb der Kontrolle des Staates werden leicht zum Ziel staatlicher Repressalien. Die Imame der registrierten Moscheen werden mit Zustimmung der staatlichen Körperschaft für religiöse Angelegenheiten ernannt. Nicht islamische Glaubensgemeinschaften können ihre Leiter weitgehend ohne staatliche Einmischung bestimmen. Eine weitere Einschränkung für Moslems ist, dass sich der Staat die Organisation der Teilnahme an der Hadsch und Umra, der Pilgerfahrten nach Mekka, vorbehält. Erst im Januar 2011 hat Tadschikistan etwa 50 Moscheen und moslemische Gebetsstätten in Duschanbe geschlossen. Auch in anderen Teilen des Landes werden angeblich Moscheen geschlossen. Das offizielle Vorgehen ist oft von Willkür geprägt. So wurde die islamische Richtung der Salafi im Februar 2009 vom Obersten Gerichtshof verboten, obwohl deren Anhänger keinerlei religiös motivierte Straftaten verübt hatten. Im Jahr 2010 wurden 95 Anhänger der ebenfalls verbotenen islamischen Bewegung Jamaat Tabligh zu Kerkerstrafen von bis zu sechs Jahren bzw. hohen Geldstrafen verurteilt.
Unverändert verboten ist jede religiöse Betätigung ohne staatliche Registrierung. So forderte Saidbek Mahmadulloyev vom Komitee für religiöse Angelegenheiten, dass der nicht registrierungswillige Teil der Baptisten jede Tätigkeit einstellt. Religionsunterricht unterliegt strenger staatlicher Kontrolle und darf nur außerhalb der staatlichen Schulen stattfinden. Gleichzeitig wird die Registrierung von religiösen Bildungseinrichtungen behindert. Die Verbreitung von Glaubensinhalten in Privatwohnungen ist verboten, ebenso wie „Propaganda religiöser Überlegenheit“, ein sehr dehnbarer Begriff, zumal das Recht auf eine Diskussion über die Vor- und Nachteile religiöser Überzeugungen nach internationalen Menschenrechtsstandards gewährleistet ist. Durch Gesetzestexte dieser Art ist Behördenwillkür Tür und Tor geöffnet. Religiöse Literatur unterliegt strenger Zensur, für welche die Gemeinschaften auch noch einen hohen Preis an die Behörden zahlen müssen.
Dieser alle Bereiche des religiösen Lebens durchziehende Trend dürfte sich fortsetzten mit dem geplanten Gesetz über die Verantwortung von Eltern, das unter anderem ein vollständiges Verbot der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen aller Art für Personen unter 18 Jahren vorsieht. Ausgenommen wären nur Begräbnisse. Wie auch das Religionsgesetz ist dieser Gesetzesentwurf in seinen Formulierungen sehr uneindeutig, wodurch viel Spielraum für Behördenwillkür bleibt. Religionsgemeinschaften, unabhängige Rechtsexperten und Menschenrechtsaktivisten haben sich kritisch zu dem Gesetzesentwurf geäußert, da dieser, neben anderen von der tadschikischen Verfassung und internationalen Menschenrechtsstandards garantierten Rechten und Freiheiten die Religionsfreiheit von Eltern und Kindern verletzt.
Die Behörden scheinen von dem Wunsch motiviert, alles zu kontrollieren, und nur einen äußeren Anschein der Rechtsstaatlichkeit gelten zu lassen. Es gibt keine Hinweise, dass Tadschikistan die Absicht hätte, seine internationalen und nationalen Verpflichtungen im Bereich der Religionsfreiheit oder anderer grundlegender Menschenrechte umzusetzen.
Quelle: Forum 18 News Service, Oslo
Deutsche Fassung: AK Religionsfreiheit der Österreichischen Evangelischen Allianz