29.11.2011

Arabische Länder: Wirkliche Demokratie kaum zu erwarten

Islaminstitut der Evangelischen Allianz : Wenig Chancen für volle Religionsfreiheit

Arabische Länder: Wirkliche Demokratie kaum zu erwarten

Islaminstitut der Evangelischen Allianz : Wenig Chancen für volle Religionsfreiheit

Bonn (idea) – Auch nach den politischen Umbrüchen in den arabischen Ländern wird es dort kaum wirkliche Demokratie und umfassende Freiheitsrechte geben. Zu dieser Einschätzung kommt der Islamwissenschaftler Carsten Polanz (Bonn) vom Institut für Islamfragen der Evangelischen Allianz in Deutschland, Österreich und der Schweiz in einer Pressemitteilung. Für eine Demokratisierung wäre es nötig, dass die islamische Theologie „das Ideal eines islamischen Staates als Garant der Religion aufgeben und sich für eine freie Zivilgesellschaft und volle Religionsfreiheit aussprechen würde“. „Das scheint derzeit nicht in Sicht zu sein“, so das Fazit von Polanz. Er unterscheidet drei theologische Strömungen in Ländern im arabischen Raum. Sei reichten von der totalen Ablehnung der Demokratie als einer verderblichen Erfindung des Westens über die Nutzung demokratischer Rechte und Freiheiten zur schrittweisen Islamisierung der Gesellschaft bis hin zur Forderung nach einer klaren Trennung von Staat und Religion. Doch gerade Vertreter dieser Anschauung lebten in islamischen Ländern gefährlich und hätten an den großen theologischen Institutionen keinen Einfluss.

Alle Gesetze unter Vorbehalt der Scharia

Einer der bis heute einflussreichsten Vordenker der Muslimbrüder in Ägypten, Sayyid Qutb (1906-1966), habe jedes System abgelehnt, das „auf dem Konzept der Souveränität des Menschen“ basiere. Die Galionsfigur der gemäßigten Islamisten, ägyptische Fernsehprediger und Internetmufti Yusuf al-Quaradawi, will laut Polanz muslimische Vorbehalte gegenüber der Demokratie überwinden, indem er jedes Gesetz, das den Islam widerspreche, „für null und nichtig“ erkläre. „Doch damit hält auch er am Ideal der Einheit von Staat und Religion aus der Zeit Muhammads in Medina fest“, erläutert Polanz. Auch die von diesen Islamisten geforderten Freiheitsrechte stünden unter dem Vorbehalt des islamischen Religionsgesetzes, der Scharia. Polanz verweist darauf, dass es in islamisch geprägten Ländern in den letzten Jahren vereinzelt Reformer gegeben habe. So habe der ägyptische Autor Farag Foda in einem Buch der islamistischen These widersprochen, dass die Anwendung der Scharia eine „sofortige Gesundung der Gesellschaft“ zur Folge haben werde. Doch Foda sei 1992 von radikalen Islamisten ermordet worden. Und Gelehrte der Al-Azhar-Universität in Kairo hätten diese Tat sogar verteidigt, weil die Mörder Foda der von der Scharia vorgesehenen gerechten Strafe zugeführt hätten. Eine Trennung von Kirche und Staat fordere auch der Philosoph Abdulkarim Soroush im Iran. Doch gegen ihn habe der Staat ein Lehr- und Publikationsverbot verlassen. Zuvor seien seine Vorlesungen immer wieder von Schlägertrupps gestürmt worden. Nach Einschätzung von Polanz wünschen sich vermutlich die meisten jungen Leute, die die Revolutionen in Ägypten und Tunesien getragen hätten, einen Zivilstaat. Doch sie seien politisch kaum organisiert und hätten bei Wahlen schlechte Chancen.