28.01.2012
Turkmenistan: Pastor Ilmurad Nurliev nach wie vor in Haft
Vier Jahre Haft nach „Geheimverfahren“ für Zeugen Jehovas -
Turkmenistan: Pastor Ilmurad Nurliev nach wie vor in Haft
Vier Jahre Haft nach „Geheimverfahren“ für Zeugen Jehovas -
Nach einem im Geheimen abgeführten Verfahren in der Hauptstadt Aschgabat, von dem nicht einmal seine Familie und Freunde etwas erfuhren, wurde der Zeuge Jehovas Vladimir Nuryllayev am 18. Januar 2012 aufgrund einer Anklage wegen „Verbreitung von Pornographie“ zu vier Jahren Haft verurteilt. Personen aus seiner Glaubensgemeinschaft sehen Vladimir als höchst moralischen und frommen Mann, der nichts mit Pornographie zu tun hat. Die Probleme Nuryllayevs mit den Behörden begannen Ende September 2011, als ihn ein Verwandter, der seine religiösen Überzeugungen nicht teilt, wegen Besitzes religiöser Literatur anzeigte. Bei einer Hausdurchsuchung wurde die Literatur beschlagnahmt. Im Oktober wurde eine Geldstrafe gegen ihn verhängt, die er pünktlich bezahlte. Am 20. Oktober kamen zwei Beamte, die behaupteten von der Lokalverwaltung („Hyakimlik“) zu sein, in seine Wohnung und wollten sein Notebook beschlagnahmen. Als er den Computer nicht herausgeben wollte und die Namen der Beamten niederschrieb, wurden sie wütend und begannen, ihn zu schlagen. Am 15. November wurde er schließlich verhaftet Am nächsten Tag wurde ein Strafverfahren wegen Verbreitung von pornographischem Material gegen ihn eingeleitet.
Einem unbestätigten Bericht zufolge wurde 2011 ein Muslim, der Datenträger mit religiösem Inhalt verbreitet hatte, aufgrund einer ähnlichen Anklage verurteilt. Da diese Meldung anonym bei der Radiostation Radio Liberty eingegangen ist, kann sie nicht überprüft werden.
Sieben weitere bekannte Gewissensgefangene befinden sich in Arbeitslagern, sechs davon Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen, alle Zeugen Jehovas. Turkmenistan hat bisher alle internationalen Aufrufe zur Entlassung der Gewissensgefangenen und Einführung eines Wehrersatzdienstes ignoriert.
Nach wie vor in Haft befindet sich Pastor Ilmurad Nurliev, der Leiter der Licht für die Welt-Gemeinde in der Stadt Mary östlich der Hauptstadt Aschgabat. Er wurde im August 2010 verhaftet und wegen angeblichem Betrugs zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. Seine Gemeinde betont mit Nachdruck, dass dieses Urteil auf falschen Anklagen beruht und er nur für seine religiöse Betätigung bestraft werden sollte. Er hatte vergeblich versucht, seine Gemeinde registrieren zu lassen Nurlievs Freunde haben sich erneut besorgt über seine fortgesetzte Haft geäußert. „Es gibt so viele Amnestien, aber er kommt nie heraus“, erklärte einer seiner enttäuschten Freunde gegenüber Forum 18. Beamte hatten im Dezember 2011 gegenüber mehreren seiner Freunde entschieden behauptet, dass er bei der Amnestie in diesem Monat freikommen würde. Doch das ist nicht geschehen.
Nurlievs Frau Maya kann ihn im Arbeitslager in Seydi besuchen. Alle 30 Tage ist ein Besuch von einer halben Stunde gestattet. Alle 45 Tage darf sie ihn für 24 Stunden besuchen. Doch die Anreise von ihrem Heimatort Mary zum Lager Seydi nimmt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fast einen ganzen Tag in Anspruch.
Drei kürzlich freigelassene Gewissensgefangene berichten über schlechte Haftbedingungen im Lager Seydi. So sollen Einzelhaft und Schläge zur „routinemäßigen“ Behandlung von Gefangenen gehören. „Die Zelle war kalt, ich konnte nur sitzend schlafen und erhielt nur sehr wenig zu essen“, berichtet der Wehrdienstverweigerer Sakhetmurad Annamamedov, ein Zeuge Jehovas, der im Mai 2011 nach Verbüßung seiner Strafe aus dem Lager Seydi entlassen wurde. Sakhetmurads Bruder, der ebenfalls zwei Jahre in Seydi in Haft war berichtet: „Ich verbrachte sechs Tage hintereinander in Einzelhaft. Es gab nichts in der Zelle, nur blanken Beton. Die Beamten drohten, wenn ich meine Religion nicht aufgebe, würde ich in eine viel strengeres Haftregime kommen.“. Shahurdy Ushotov, der im Juli 2011 aus dem Lager Seydi entlassen wurde, berichtet über eine Tracht Prügel, die er von einem Beamten der Sonderpolizei OMON erhielt: „Ich musste mit sechs Stichen genäht werden, um die Wunde zu schließen. Gefangene und deren Angehörige berichten schon lange über die harten Bedingungen in diesem Arbeitslager, wo es im Sommer sehr heiß und im Winter beißend kalt ist. „Das Lager liegt in der Wüste und in der Nähe mehrerer chemischer Fabriken“, berichtete die Familie des Baptisten Wjatscheslav Kalataevsky im Jahr 2007, als er dort um seines Glaubens willen festgehalten wurde.
Immer wieder kommt es zur Beschlagnahme religiöser Literatur von Turkmenen, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren.
Für Muslime wird die Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Mekka extrem erschwert. Die Hadsch ist für jeden gesunden Muslim, der finanziell dazu in der Lage ist, mindestens ein Mal im Leben verpflichtend und gehört zu den fünf Säulen des Islam. Obwohl seitens Saudi Arabiens angeblich ein Kontingent von 5.000 Plätzen für Turkmenen zur Verfügung steht, durften in den letzten Jahren jeweils nur ca. 180 - 190 Turkmenen, einschließlich der staatlichen „Aufpasser“ nach Mekka reisen.
Offizielle Vertreter Turkmenistans haben demgegenüber immer wieder bestritten, dass irgendjemand aus religiösen oder politischen Gründen bestraft würde. So behauptete der stellvertretende Justizminister Turkmenistans Batyr Arniyazov im November in Genf vor dem Komitee der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dass es in Turkmenistan keine politischen motivierte Strafverfolgung gäbe. „Alle Gefangenen wurden wegen Straftaten verurteilt. Ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren war garantiert.“ Das UN-Komitee brachte jedoch in seinen Schlussfolgerungen vom 2. Dezember 2011 seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass die Mitglieder mancher religiösen Gruppen in Turkmenistan nicht volle kulturelle Freiheit im Bereich der Religion genießen und dass einige Konfessionen wegen unangemessener Registrierungskriterien nach wie vor nicht registriert wurden. Das Komitee ist auch besorgt über das Verbot von Gottesdiensten in Privatwohnungen und rief Turkmenistan auf, die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit zu gewährleisten und das Recht registrierter und nicht registrierter religiöser Gruppen auf freie Ausübung ihrer Religion und Kultur zu respektieren. Weiters rief das UN-Komitee Turkmenistan auf, das Religionsgesetz abzuändern, „um unangemessene Registrierungskriterien für gewisse religiöse Gruppen, sowie verschiedene Restriktionen, die sich negativ auf die Religionsfreiheit auswirken, zu beseitigen“.
Quelle: Forum 18, Oslo
Deutsche Fassung: Arbeitskreis Religionsfreiheit der ÖEA