07.03.2012

Iran: Diskriminierendes Familiengesetz verabschiedet

IGFM: Iran führt Gedanken des Weltfrauentags ad absurdum

Iran: Diskriminierendes Familiengesetz verabschiedet

IGFM: Iran führt Gedanken des Weltfrauentags ad absurdum

Ausgerechnet zum internationalen Frauentag am 8.März

Teheran / Frankfurt am Main (7. März 2012) - Am 6. März hat das iranische Parlament ein für Frauen stark diskriminierendes Gesetz zur Registrierung von "Zeit-Ehen" verabschiedet. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) berichtet, hatten iranische Frauenrechtlerinnen gefordert, die "Zeit-Ehe" ganz abzuschaffen oder sie zumindest alle registrierungspflichtig zu machen. Nach Artikel 22 des "Familienschutzgesetzes" müssen "Zeit-Ehen" nur in bestimmten Fällen eingetragen werden, etwa bei Vorliegen einer Schwangerschaft. Die IGFM weist darauf hin, dass diese nur im schiitischen Islam praktizierte Form der Ehe Frauen und Kinder stark benachteilige. Beide hätten in nicht registrierten "Zeit-Ehen" vor Gesetz praktisch keinerlei Rechte. Auch das reguläre Familienrecht halte Frauen in völliger Abhängigkeit von ihren Ehemännern und diskriminiere Frauen und Mädchen dramatisch.

Nach Angabe der IGFM setzte sich Setareh Hedayatkhahs, Sprecherin des Kulturausschusses des iranischen Parlaments, für eine bedingungslose Registrierung aller Zeit-Ehen ein, der Vorschlag wurde jedoch abgelehnt. Wie die IGFM weiter berichtet, stimmten 104 Abgeordnete des iranischen Parlaments für das Gesetz, nur sechs Abgeordnete stimmten dagegen, 12 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Das so genannte "Familienschutzgesetz" ist im Iran heftig umstritten, sowohl Frauenrechtlerinnen als auch Anhängerinnen konservativer Frauengruppen protestierten gegen den neuen Artikel. Die Regimekritikerin und ehemalige Leiterin der Al-Zahra Universität, Zahra Rahnavard, die seit Februar 2011 mit Ehemann Mir Hossein Mousavi unter Hausarrest steht, bezeichnete das besagte Gesetz als "familienschädigend".

IGFM: Neues Gesetz fördert Polygamie

Die IGFM kritisiert die Verabschiedung des neuen Gesetzes aufs Schärfste und fordert seine Revision zum Schutz der Rechte von Frauen und Kindern im Iran. "Unmittelbar vor dem Weltfrauentag am 8. März ein diskriminierendes Familiengesetz zu erlassen, das Polygamie fördert und Frauen und Kindern Rechte weitgehend verweigert, ist ein Affront des iranischen Regimes und verdeutlicht die menschenverachtende Rechtspraxis im Iran", so die IGFM

Hintergrund: Frauenrechte im Iran

Fünf Jahre Haft wegen fehlendem Kopftuch

Trotz massiver Repressalien, Einschüchterungen und Verhaftungen gäbe es im Iran aber noch immer eine Frauenrechtsbewegung, zu der auch einige männliche Aktivisten gehörten, so die IGFM. Die Islamische Republik sei aber in den vergangenen Jahren immer härter gegen die Frauenrechtsbewegung vorgegangen. Ein markantes Beispiel dafür ist die Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, eine der exponiertesten Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsverteidigerin des Iran. Neben anderen Strafen muss sie fünf Jahre Haft verbüßen - wegen "Verstoßes gegen die islamischen Kleidervorschriften". Sie hatte in einer im Iran nie gezeigten Videobotschaft kein Kopftuch getragen.

Frauen sind durch die im Iran angewandte Scharia in fast allen Rechtsbereichen stark benachteiligt. Nach Angaben der IGFM verstoßen eine Reihe von Gesetzen der Islamischen Republik erheblich gegen völkerrechtlich bindende Menschenrechtsverträge, so z.B. die Nichtzulassung von Frauen zu verschiedenen Berufen wie dem Richteramt, die Benachteiligungen beim Zeugenrecht, beim Ehe- und Scheidungsrecht, beim Sorgerecht und anderen mehr. Auch beim sogenannten "Vergeltungsrecht" haben Leben und Gesundheit von Frauen nur den halben Wert von dem eines Mannes.

"Recht" auf sexuellen Gehorsam der Ehefrau

Die IGFM kritisiert, dass im Iran nach dem islamischen Recht Ehemänner "das Recht" hätten, ihre Frauen auch mit Gewalt zum sexuellen Gehorsam zu zwingen. Nach dieser "Rechts"-Logik könne es Vergewaltigungen in der Ehe "nicht geben". Auch häusliche Gewalt werde im Iran mit Verweis auf den Koran und islamische Überlieferungen gerechtfertigt. Der Ehemann dürfe seine Frau schlagen - wenn er "Ungehorsam fürchte". Nach islamischem Recht stellten Schläge oder sexuelle Gewalt durch den Ehemann für die Frau auch keinen Scheidungsgrund dar. Gleichzeitig könnten muslimische Ehemänner jederzeit ihre Ehefrauen verstoßen. Komme es zum Rechtsstreit, so gelte - mit Verweis auf das islamische Recht - die Aussage einer Frau vor Gericht nur halb soviel wie die eines Mannes. In manchen Fällen wird die Aussage einer Frau überhaupt nicht zugelassen.

Sexuelle Gewalt durch Islamische Revolutionswächter und Beamte

Nach Informationen der IGFM werden Frauen in iranischen Gefängnissen häufig sexuell belästigt, erniedrigt und in manchen Fällen auch vergewaltigt. In einigen Fällen schlossen iranische Geistliche sogar "Zeit-Ehen" zwischen den Pasdaran - sogenannten "Wächtern der Islamischen Revolution" - und weiblichen Gefangenen - gegen den ausdrücklichen Willen der Frauen. Auf diese Weise konnten Revolutionswächter "legal" die Gefangene vor ihrer Hinrichtung vergewaltigen. Die iranischen Behörden bestreiten, dass es in der Islamischen Republik Vergewaltigungen in der Haft gibt, obwohl selbst einige hohe iranische Politiker dies bestätigten.

De facto Freibrief für "Ehrenmorde"

Das iranische Strafrecht schreibt in Art. 220 vor, dass ein Vater oder Großvater nicht hingerichtet werden darf, wenn er die eigenen Nachkommen tötet. Dem Mörder droht höchstens ein "Blutgeld", wenn es von den Erben des Opfers gefordert werden sollte. Prozesse dieser Art werden oft durch Selbstanzeigen eröffnet. Sind alle der Beteiligten Familienangehörige, fordert niemand "Blutgeld" und der Täter gilt ganz offiziell als straffrei. Bei "Ehrenmorden" dieser Art wird von Seiten der Behörden in der Regel gar kein Prozess eingeleitet. Das "Blutgeld" für eine Frau ist ohnehin nur halb so hoch wie das für einen Mann.

Iranische Frauenrechtsbewegung

Nach Angaben der IGFM wurden und werden im Iran Frauen und Männer, die sich für eine rechtliche Gleichstellung der Frau einsetzen, verfolgt. Viele von ihnen wurden ohne offizielle Anklage inhaftiert oder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Andere wurden erst nach Zahlung ruinöser Kautionen aus dem Gefängnis entlassen. Mehrere wurden misshandelt und gefoltert.

Im August 2006 gründeten Frauen und Männer im Iran die Bürgerrechtsbewegung "Eine Million Unterschriften Kampagne für Frauenrechte", eine Initiative für die gesetzliche Gleichstellung von Frauen im Iran. Die Idee dieser Kampagne entstand nach der gewalttätigen Niederschlagung eines Protestes für mehr Gleichberechtigung in Teheran am 12. Juni 2006. Eine Petition mit einer Million Unterschriften iranischer Bürger soll dem Gesetzgeber vorgelegt und dieser zur Änderung der Gesetze aufgefordert werden. Die Organisatoren wollen das Anliegen der Frauen in die Gesellschaft tragen und den Gedanken der Gleichberechtigung im öffentlichen Bewusstsein verankern.

Der "Führer" der Islamischen Republik Iran, Ayatollah Ali Khamenei, und die iranische Regierung lehnen eine Gleichberechtigung von Frauen und Männern und jede rechtliche Änderungen in diese Richtung rigoros ab. Einige Mitglieder des Parlamentes und religiöse Führungspersönlichkeiten haben hingegen die Petition unterschrieben und regten Diskussionen über die Notwendigkeit einer Reform der Gesetze für Frauen an.

Zahra Rahnavard, Regimekritikerin und ehemalige Leiterin der Al-Zahra Universität, die seit Februar 2011 unter Hausarrest steht, bezeichnete das so genannte "Familienschutzgesetz" als "familienschädigend".

Nasrin Sotoudeh, iranische Frauenrechtlerin und Menschenrechtsanwältin: 5 Jahre Haft extra wegen "Verstoßes gegen die islamischen Kleidervorschriften" - sie hatte in einer im Iran nie gezeigten Videobotschaft kein Kopftuch getragen.

Zur Lage der Menschenrechte in Iran unter:

www.igfm.de/Menschenrechtsverletzungen-in-der-Islamischen-Republik-Iran.573.0.html

 

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