08.04.2015
Deutschland: Ausstellung "Ein Gott. Abrahams Erben am Nil“
Leben Muslime, Juden und Christen in Ägypten friedlich zusammen? In der Ausstellung „Ein Gott. Abrahams Erben am Nil“ beschreibt das Bode-Museum in Berlin das Verhältnis von Juden, Christen und Muslimen in Ägypten. Gezeigt werden soll das zumeist friedliche Zusammenleben der drei Religionen. Doch dabei werden einige wichtige Fakten unterschlagen. idea-Redakteur Karsten Huhn hat die Ausstellung besucht.
Deutschland: Ausstellung "Ein Gott. Abrahams Erben am Nil“
Leben Muslime, Juden und Christen in Ägypten friedlich zusammen? In der Ausstellung „Ein Gott. Abrahams Erben am Nil“ beschreibt das Bode-Museum in Berlin das Verhältnis von Juden, Christen und Muslimen in Ägypten. Gezeigt werden soll das zumeist friedliche Zusammenleben der drei Religionen. Doch dabei werden einige wichtige Fakten unterschlagen. idea-Redakteur Karsten Huhn hat die Ausstellung besucht.
Zu so einer Ausstellung gehört schon Chuzpe. Gezeigt werden soll „wie friedlich und tolerant die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam einst in Ägypten über lange Zeit nebeneinander existierten“, heißt es in der Ausstellungsankündigung. Und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte bei der Vorstellung, die Ausstellung zeige, was in der Geschichte möglich gewesen sei. Der gemeinsame Bezug von Juden, Christen und Muslimen mahne dazu „das Gemeinsame zu suchen und nicht das Trennende zu betonen“. Was also ist zu sehen? Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Ägyptischen Museums und der Papyrussammlung sowie des Museums für Islamische Kunst, der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst. Gezeigt werden 250 Objekte und Dokumente, etwa Grabsteine, Skulpturen, Kerzenhalter, Vasen, Öllampen, Münzen, dazu Bibel, Koran und Tanach. Belege dafür, dass Anhänger aller drei Religionen an den „einen Gott“ glauben und diese Gemeinsamkeit alle Unterschiede dominiere, bietet die Sammlung jedoch kaum. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es tatsächlich derselbe Gott sei, an den alle glaubten, so sind die Gottesbilder und Glaubensverständnisse doch denkbar verschieden: Für Christen ist Jesus Christus der menschgewordene Gott – für Juden und Muslime ist das Blasphemie. Für Muslime sind der Prophet Mohammed und der Koran maßgeblich – für Christen und Juden spielen beide keine Rolle. Während die Juden immer noch auf den Messias warten, gehen die Christen davon aus, dass er bereits gekommen ist und erhoffen seine Wiederkunft, Muslime wiederum erwarten gar keinen Retter. Alles nur Kleinigkeiten, die beim Zusammenleben keine Rolle spielen? Warum haben die drei Religionen dann nicht längst fusioniert? Dass die Gemeinsamkeiten nicht so weit reichen, wie von den Ausstellungsmachern behauptet, zeigt bereits die Geschichte von Abraham, auf den sich alle drei monotheistischen Religionen berufen. Nach jüdischem und christlichem Verständnis bringt Abraham Isaak, Sohn der Sara, zum Opferaltar. Der Koran erzählt eine andere Geschichte: Hier ist es Ismael, der Sohn von Abrahams Nebenfrau Hagar, der geopfert werden soll.
Wer kämpfte gegen wen?
Besonders aussagekräftig ist eine Schauwand mit dem Titel „Wer gegen wen, wann und warum?“ Hier werden die wichtigsten Konflikte in der Geschichte Ägyptens dargestellt: So bekämpfte die römische Weltmacht unter Führung von Kaiser Titus 73 nach Christus auch in Ägypten jüdische Aufständische. Im 3. und 4. Jahrhundert verfolgten die römischen Kaiser Decius, Valerian und Diokletian die Christen. Im 8. und 9. Jahrhundert kam es zu Aufständen koptischer Christen gegen die muslimische Herrschaft. Im 11. Jahrhundert gaben die muslimischen Herrscher „Verfolgungsedikte“ gegen Juden und Christen heraus. Und im 12. und 13. Jahrhundert zogen christliche Kreuzfahrer nach Ägypten und belagerten und besetzten Kairo. Allein diese Aufzählung zeigt, dass das friedliche Zusammenleben nicht die Regel war. Seltsam ist auch: Genannt wird der Streit der Christen untereinander um das rechte Verständnis der Dreieinigkeit – eine Auseinandersetzung, die mitunter wohl mit scharfen Worten, nicht aber mit Waffen geführt wurde. Völlig ausgespart wurde hingegen ein anderer Konflikt, der die Geschichte Ägyptens nicht unwesentlich geprägt haben dürfte: Ab 639 eroberten muslimische Araber Ägypten und nutzten das Land als Ausgangspunkt für weitere Feldzüge in Nordafrika. Doch wie Ägypten muslimisch wurde – davon findet sich an der „Wer gegen wen?“-Wand kein Wort.
Christen und Juden als Bürger zweiter Klasse
Ein Papyrus, den vermutlich weltweit nur wenige Experten entziffern können, beschreibt die „Konfiszierung jüdischen Besitzes“. Doch man wüsste gerne, was wohl der Anlass der Beschlagnahmung war. An anderer Stelle heißt es in der Ausstellung, dass es von der Existenz des Judentums in Ägypten kaum noch archäologische Funde gebe. Woran das wohl liegen könnte, erklärt die Ausstellung nicht. Immerhin lässt sich aus einigen Details das „friedliche Zusammenleben“ der damaligen Zeit rekonstruieren: So wird auf die in Kairo errichtete Moschee des ’Amr ibn al-’Ās hingewiesen. Benannt wurde sie nach dem muslimischen General, der Ägypten eroberte. Eine Moschee, die – bis heute – nach einem Feldherrn benannt ist! Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn jemand dazu aufforderte, den Berliner Dom nach einem preußischen Generalfeldmarschall zu benennen! Zur Frage „Warum war der Islam so erfolgreich?“ vermerkt die Ausstellung lapidar: „Die herrschenden Araber tolerierten zunächst auch die Juden und Christen und sicherten die Religionsfreiheit in Verträgen zu. Allerdings mussten diese eine Kopfsteuer zahlen.“ So war für Christen und Juden also „friedliches Zusammenleben“ mit den herrschenden Muslimen möglich: Als Bürger zweiter Klasse und bei Zahlung einer Sondersteuer!
Pogrome gegen die christliche Minderheit
Und wie sieht es im Ägypten des 21. Jahrhunderts aus? Antworten gibt der Begleitkatalog. Er spricht von einer „allgemeinen Dominanz des Islam“ und einer Auswanderungsbewegung der Minderheiten: „Damit reduzierte sich die christliche Präsenz in Ägypten im Wesentlichen auf die Kopten, während die jüdische bis auf architektonische Überreste fast gänzlich verschwand.“ Zudem komme es beim Bau von Gotteshäusern „immer wieder zu Streit zwischen Christen und Muslimen, bei dem sich die Minderheit oft benachteiligt wird“. Ähnliches gelte für den „Skandal“ des Religionswechsels. Teilweise gebe es „regelrechte Pogrome“ gegen die koptische Minderheit. Der Schlusssatz des Katalogs lautet: „Die Zukunft muss zeigen, ob in Ägypten unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts echte religiöse Koexistenz noch möglich ist, oder ob das Land durch die – aus Sicht einiger Beobachter bereits im Gang befindliche – Abwanderung der Kopten früher oder später rein muslimisch werden wird.“
Braucht es 43 Millionen Euro für den Dialog?
In seiner Ausstellung wirbt das Bode-Museum mit einem Modell für den Bau eines „House of One“ (Haus des Einen). Unter einem Dach sollen in Berlin-Mitte bis 2017 eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee entstehen. Das Haus soll zum „Symbol des friedlichen Dialogs“ werden. Kosten: 43,5 Millionen Euro. Dialog und friedliches Zusammenleben sind immer eine feine Sache – ob es einen millionenteuren Symbolbau braucht, um sich mit seinem Nachbarn zu unterhalten, darf dennoch infrage gestellt werden. In jedem Fall: Ein paar Fakten tun jedem Dialog gut.