16.07.2015
Südsudan: Das Leiden der Menschen ist unbeschreiblich
Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Präsident Salva Kiir ergebenen Streitkräften und den Rebellen unter der Führung des abgesetzten Vizepräsidenten Riek Machar hat über zwei Millionen Menschen aus ihrem Heim vertrieben, schätzt die UNO-Flüchtlingshilfe (UNHCR). Davon sollen mehr als 850.000 Südsudanesen Zuflucht in Äthiopien, Uganda, im Sudan und in Kenia gesucht haben und mehr als 1,5 Millionen im Südsudan selbst (Stand: 3. Juli)
Südsudan: Das Leiden der Menschen ist unbeschreiblich
Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Präsident Salva Kiir ergebenen Streitkräften und den Rebellen unter der Führung des abgesetzten Vizepräsidenten Riek Machar hat über zwei Millionen Menschen aus ihrem Heim vertrieben, schätzt die UNO-Flüchtlingshilfe (UNHCR). Davon sollen mehr als 850.000 Südsudanesen Zuflucht in Äthiopien, Uganda, im Sudan und in Kenia gesucht haben und mehr als 1,5 Millionen im Südsudan selbst (Stand: 3. Juli)
Vor vier Jahren hat der Südsudan seine Unabhängigkeit per Referendum erklärt. Seitdem rutscht der zentralafrikanische Staat immer tiefer in die humanitäre Katastrophe. Während einer Reise der internationalen Hilfsorganisation "Kirche in Not" im Südsudan informierten lokale Quellen die Päpstliche Stiftung über die dramatische Situation der von dem Konflikt betroffenen Flüchtlinge und Vertriebenen in den Bundesstaaten Upper Nile und Unity. Der jüngste Staat der Erde wurde allerdings schon im Dezember 2013 wieder von innenpolitischen Unruhen erfasst und hat noch keinen Ausweg aus dieser „politischen Krise“ – so nennen die Südsudanesen die blutigen Kämpfe vor allem im Norden des Landes – gefunden.
„Das Leiden der Menschen ist unbeschreiblich. Sie sind ihrem Schicksal überlassen“, berichteten lokale Quellen. „Wir haben in diesem Land viele Kriege erlebt, aber die Grausamkeit dieses Konflikts übersteigt alles Dagewesene. Besonders die Angriffe gegen Frauen und Kinder, sowie gegen komplett Unbeteiligte. Bis vor einigen Wochen konnten die Frauen aus den Flüchtlingslagern in Upper Nile im Umland Kräuter und Beeren für die Versorgung ihrer Familien sammeln, denn die Flüchtlinge leiden großen Hunger. In jüngster Vergangenheit gab es aber Misshandlungen und Vergewaltigungen, ein paar Frauen kehrten nicht ins Lager zurück. Es ist sehr hart, man ist im Lager eingeschlossen, es ist wie ein Gefängnis in deinem eigenen Land. Gleichzeitig ist es aber der einzige Ort, an dem man sicher ist“, berichtet im Gespräch mit der Delegation von Kirche in Not einer der 20.000 registrierten Zivilisten, die Schutz bei einem der sogenannten UNMISS PoC (Gelände zum "Schutz der Zivilbevölkerung" der United Nations Mission in South Sudan) in Malakal.
“Trotzdem muss man selbst innerhalb der Lager vorsichtig sein: Es gab gezielte Schüsse aus den benachbarten Baumkronen in das Flüchtlingslager hinein, vor allem in die Bereiche, wo sich die Flüchtlinge vom Stamm der Shilluk aufhalten“, berichten andere Flüchtlinge. Die UNMISS bestätigte auch diese Informationen .Die Shilluk sind die drittgrößte Volksgruppe im Land und leben auf beiden Seiten des Nils, rund um die Stadt Malakal, die am härtesten von dem Kampf zwischen Dinkas und Nuer betroffen ist.
Bei der Gründung der Republik Südsudan im Jahre 2011 versuchte man ein Gleichgewicht zwischen den wichtigsten Stämmen des Landes herzustellen indem man Salva Kiir vom Stamm der Dinka zum Präsidenten und Riek Machar, einen Nuer, zum Vizepräsidenten ernannte. Was im Dezember 2013 als politische Krise und Machtkampf zwischen den beiden begann, hat sich zu einem erbitterten Konflikt zwischen den beiden Volksstämmen entwickelt. Verschiedene örtliche Quellen sowie unabhängige Beobachter der humanitären Hilfswerke beschuldigen beide Konfliktparteien des „Genozids“ und des maßlosen Tribalismus. Es wird von vielen Fällen von Angriffen, Vergewaltigungen, Plünderungen, Verwüstungen und Morden an Zivilpersonen berichtet, die in keinerlei Zusammenhang zu einer der Konfliktparteien standen, sondern nur wegen ihrer Angehörigkeit zu einem bestimmten Stamm zu Opfern wurden. Zudem leisten die Kriegsparteien wenig Unterstützung bei Hilfslieferungen des UNHCR in die Flüchtlingslager und behindern diese sogar.
Diese dramatische Situation führt dazu, dass Tag für Tag mehr Südsudanesen im benachbarten Sudan Zuflucht suchen. Nach Daten des UNHCR haben seit Mai 2015 knapp 30.000 Südsudanesen die Grenze zum Norden überquert, um in den dortigen Flüchtlingslagern unterzukommen. Insgesamt vermutet man mehr als 90.000 in den Lagern vornehmlich im Bundesstaat Weißer Nil, aber auch in Kurdufan, Blauer Nil und Khartum. Deren Situation ist zwar besser als die ihrer Leidensgenossen in der Heimat, aber trotzdem alles andere als einfach.
Eine der wichtigsten Forderungen der südsudanesischen Flüchtlinge im sudanesischen Norden ist die Genehmigung von Besuchen der UNO-Organisationen in den Lagern, wo zum jetzigen Zeitpunkt nur die Regierung Zugang hat. Das UNHCR kann nur über sudanesische Partner einige Hilfsgüter zur Grundversorgung in die Lager bringen, ihnen selbst ist der Zugang verwehrt. Außerdem ist die Sicherheitslage in den Lagern sehr angespannt, da die Kontrollen an den Eingängen nur selektiv sind. Es gibt Berichte von Misshandlungen, Vergewaltigungen und Diebstählen durch Eindringlinge von außerhalb des Lagers. Die Flüchtlinge sind diesen schutzlos ausgeliefert.
Ein anderes schwerwiegendes Problem ist die fehlende Anerkennung der Flüchtlinge durch die sudanesische Regierung. Die Regierung in Khartum – von der sich der Südsudan vor vier Jahren unabhängig gemacht hat – betrachtet die südsudanesischen Flüchtlinge wie „Brüder und Schwestern“, die in die Heimat zurückkehren. Es gibt keinen offiziellen Weg, den Status eines Flüchtlings zu erlangen. Trotz des Anspruchs der Regierung, die Südsudanesen wie ihre eigenen Bürger zu behandeln, „ist die Behandlung der Südsudanesen nicht gleichwertig, selbst wenn sie einen sudanesischen Pass besitzen. Viele nach Khartum geflüchtete Frauen zum Beispiel arbeiten als Hausangestellte bei Sudanesen. Es gibt unzählige Fälle von Misshandlungen und Ausbeutung. Dasselbe gilt für die südsudanesischen Männer, die für einen äußerst geringen Lohn hart auf den sudanesischen Feldern und Baustellen arbeiten müssen, weil sie keine offiziellen Dokumente haben“, berichten Angehörige von Betroffenen Kirche in Not. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention würden die Flüchtlinge Anspruch auf Arbeitserlaubnis und Rechtsschutz erhalten.
Quelle: KIRCHE IN NOT/Österreich