05.06.2015
Kirchentag soll mehr auf Christenverfolgung eingehen
Syrien: 600.000 der 1,4 Millionen Christen haben das Land verlassen
Kirchentag soll mehr auf Christenverfolgung eingehen
Syrien: 600.000 der 1,4 Millionen Christen haben das Land verlassen
Stuttgart (idea) – Der Deutsche Evangelische Kirchentag sollte dem Thema Christenverfolgung im Nahen Osten größere Aufmerksamkeit schenken. Das forderten Redner auf einer Veranstaltung zum Thema „Wenn in Bethlehem das Licht ausgeht: Christen im Nahen Osten“ des Evangelischen Missionswerkes (Hamburg) auf dem Protestantentreffen in Stuttgart. Der armenisch-orthodoxe Bischof in Damaskus, Bischof Armash Nalbandian, berichtete, dass im Zuge des Krieges in Syrien 600.000 der einst 1,4 Millionen Christen das Land verlassen haben. An diesem Aderlass trage der Westen eine Mitschuld, weil er die Aufständischen gegen Präsident Baschar al-Assad unterstütze. „Aber ohne Assad wird es für Christen keine Zukunft in dem Land geben“, sagte er der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Er rechnet damit, dass der Krieg noch zehn bis 15 Jahre dauern werde. Beim anschließenden Wiederaufbau würden die Christen eine große Rolle spielen, weil sie durch Bildungsoffensiven zur Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten beitragen könnten.
Auch Muslime sind gegen die Scharia
Der Vorsitzende des Zentralrates Orientalischer Christen in Deutschland, Simon Jacob (München), nannte es wichtig, dass Bürger in Deutschland auf die Straße gehen gegen den militärischen wie medialen Terror der Islamisten im Nahen Osten und darüber auch auf Facebook, Twitter und Youtube berichtet wird. Dies sei eine Ermutigung für die verfolgten Christen. Jacob rief die Kirchen in Deutschland dazu auf, sich ebenfalls verstärkt zu engagieren. Dazu gehöre es auch, gegen Waffenlieferungen von Deutschland nach Saudi-Arabien zu protestieren. Jacob schlug ferner vor, mit moderaten Muslimen im Nahen Osten zusammenzuarbeiten, die ebenfalls unter dem Terror des „Islamischen Staates“ (IS) litten: „Sie wollen auch nicht, das überall das Religionsgesetz angewandt wird.“ Auch mit den Muslimen hierzulande müsse darüber offen diskutiert werden.
Der Nahe Osten braucht die Christen
Der Professor für Ökumenische Theologie und Orientalische Kirchen- und Missionsgeschichte, Martin Tamcke (Göttingen), sagte, dass der Nahe Osten die Christen brauche, um multikulturell zu bleiben. Dafür müssten sich auch die Kirchen in Deutschland einsetzen. Künftig müsse es möglich sein, dass ein Christ in Syrien Ministerpräsident werde. Dies könne aber erst gelingen, wenn sich die Mehrheit für die Rechte der Minderheiten engagiere.Der palästinensische Pfarrer Mitri Raheb (Bethlehem) erklärte, dass das Christentum im Gazastreifen vor seiner Auslöschung stehe. Gegenwärtig lebten dort nur noch 1.211 Christen. Nach drei Bombardierungen durch Israel in den letzten zehn Jahren versuchten alle, die Region zu verlassen. Gaza sei heute eine Brutstätte für Islamisten. Auch im Westjordanland gehe die Zahl der Christen zurück. Vor der Gründung des Staates Israels 1948 hätten die Christen acht Prozent der Bevölkerung gestellt, heute seien es weniger als zwei Prozent. Scharfe Kritik übt Raheb an „christlichen Zionisten“ unter den Evangelikalen, die sich kritiklos an die Seite Israels stellten. „Sie nehmen nicht einmal wahr, dass es Christen in der Region gibt, die unter der Siedlungspolitik Israels leiden.“ Die Menschenrechte würden von diesen Evangelikalen in den USA und in Deutschland „im Namen der Gottesrechte mit Füßen getreten“. Mitwirkende und einige der rund 70 Besucher der Veranstaltung kritisierten, dass sie in einem kleinen Themenzelt stattfinden musste.