06.10.2015

Deutschland: Wer hat das Sagen in den Flüchtlingsheimen?

Christen haben es in Asylheimen schwer – sie werden bedroht, geschlagen und ausgegrenzt. Ein Bericht von idea-Redakteur Karsten Huhn.

Deutschland: Wer hat das Sagen in den Flüchtlingsheimen?

Christen haben es in Asylheimen schwer – sie werden bedroht, geschlagen und ausgegrenzt. Ein Bericht von idea-Redakteur Karsten Huhn.

In vielen Flüchtlingsheimen gelten die Regeln des Islams

Pfarrer Gottfried Martens leitet eine der ungewöhnlichsten Kirchengemeinden Deutschlands. Seine Gemeinde im Berliner Stadtteil Steglitz ist jeden Sonntag voll – überwiegend mit Menschen aus dem Iran und aus Afghanistan. Sie gehört zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Die „Flüchtlingskirche“ zählt mehr als 600 Migranten, die meisten hat Martens selbst getauft. Durch sie ist Martens sehr genau über die Situation der Christen in Flüchtlingsunterkünften informiert. Besonders schwer hätten es Konvertiten, die den Islam verlassen haben und Christen geworden sind. Dies werde von vielen muslimischen Heimbewohnern als todeswürdiger Abfall vom Islam angesehen, und die Christen seien besonderen Anfeindungen ausgesetzt, so Martens: „Einer unserer Täuflinge wurde etwa nach der Rückkehr vom Taufgottesdienst gleich krankenhausreif geschlagen, viele andere wurden bedroht und in einer Reihe von Fällen auch körperlich angegriffen.“ In den letzten Monaten habe sich die Situation noch zugespitzt, da inzwischen bis zu 90 Prozent der Heimbewohner streng religiöse Muslime sind. In vielen Flüchtlingsheimen würden deshalb die Regeln des Islams gelten: „Wer nicht Muslim ist, ist unrein, darf zum Beispiel die Küche nicht benutzen, um das Essen der muslimischen Heimbewohner nicht zu verunreinigen. Im Ramadan wird immer wieder versucht, Christen zur Teilnahme an den muslimischen Riten zu zwingen.“

„Christliche Frauen gelten als Freiwild“

Nach den Schilderungen von Martens herrscht in vielen Heimen ein „Klima der Angst“. Christen dürften ihren Glauben nicht zeigen, und wenn es bekannt werde, dass sie sonntags zur Kirche gehen, werde jeder Gang durchs Haus für sie ein Spießrutenlaufen. Wenn sich ein Christ auf sein Zimmer zurückziehe, stünden dauernd Muslime vor seiner Tür und verlangten von ihm, dass er sich vor ihnen rechtfertigt. Nicht selten seien Christen mit radikalen Muslimen in einem Zimmer untergebracht. Vielen bleibe dann nichts anderes übrig, als bei Freunden zu übernachten oder in Martens‘ Kirche Zuflucht zu suchen. Besonders schwer hätten es in Asylbewerberheimen alleinstehende christliche Frauen: „Sie gelten für die muslimischen Bewohner als Freiwild.“ So trauten sich viele Frauen nicht, nachts zur Toilette zu gehen.

Der muslimische Wachschutz schaut weg

Zwar gebe es in den Heimen einen Wachschutz, doch der bestehe oft aus Muslimen, die bei Konflikten regelmäßig wegschauten oder sich offen auf die Seite ihrer muslimischen Glaubensbrüder stellten. Die Heimleitungen seien angesichts der Überbelegung und der zunehmenden Zahl der Konflikte häufig überfordert. Um die Situation zu entspannen, sei eigentlich ein „Großaufgebot von Sozialarbeitern“ nötig. Martens: „Jede Woche kommen Gemeindeglieder zu mir und bitten mich darum, sie aus dieser schrecklichen Situation in ihrem Heim herauszuholen. Ich muss ihnen immer wieder sagen: In den meisten anderen Heimen ist es auch nicht besser.“

Viele Politiker haben ein falsches Bild von den Problemen

Nach Martens‘ Einschätzung haben viele Politiker ein falsches Bild von den Konflikten in Flüchtlingsheimen: Sie führen die Auseinandersetzungen auf die Enge und Überfüllung zurück und ignorieren dabei die religiösen Ursachen: „Man versucht, die Vorkommnisse als Einzelfälle herunterzuspielen. Die Lösungsvorschläge sind von rührender Naivität: Man meint, mit der Verteilung des Grundgesetzes auf Arabisch oder mit der Unterschrift unter Integrationsvereinbarungen das Problem angehen zu können. Man will nicht begreifen, dass das Selbstverständnis des Islams strukturell viel tiefer greift: Der will eben nicht bloß ein bisschen seelische Privaterbauung, sondern das gesellschaftliche Zusammenleben nach den Regeln des Islams prägen. Und wenn jemand diese Regeln nicht akzeptiert, ist er ein ‚Ungläubiger‘, dem man keinen Respekt schuldet.“