12.11.2019

Irak: Ohne Sicherheitsgarantien keine Rückkehr von Christen

Katholischer Geistlicher fordert mehr Druck auf die Regierung

Schwäbisch Gmünd (idea) – Ohne Sicherheitsgarantien werden irakische Christen nicht in ihre ursprünglichen Siedlungsgebiete zurückkehren. Dies erklärten Kirchenvertreter am 11. November beim ökumenischen Kongress „Christenverfolgung heute“ in Schwäbisch Gmünd. Veranstalter sind das Christliche Gästezentrum Württemberg (Schönblick) und die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar). Nach Angaben der Experten ist die Zahl altorientalischer, katholischer und evangelischer Christen in den vergangenen 15 Jahren von etwa 1,25 Millionen auf rund 250.000 zurückgegangen. Hauptgrund sei die Flucht vor der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), die viele christliche Dörfer verwüstete und Tausende Kirchenmitglieder ermordete. Betroffen war vor allem die nordirakische Ninive-Ebene mit der Hauptstadt Mossul. Etwa 40 Prozent der Häuser seien zerstört worden, berichtete der dortige katholische Priester Father Georges Jahola. Am Wiederaufbau beteiligten sich Hilfsorganisationen aus aller Welt. Etwa 40.000 der mehr als 500.000 aus der Ninive-Ebene Vertriebenen seien inzwischen zurückgekehrt, die Übrigen lebten in anderen Landesteilen oder in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien sowie im westlichen Ausland. Ihre Rückkehr hänge wesentlich von der politischen Entwicklung ab, sagte Jahola. Am wichtigsten sei das Gefühl, ohne Angst vor neuen Angriffen planen zu können. Außerdem brauche man Arbeitsplätze in Fabriken, Handwerksbetrieben und der Landwirtschaft. Allerdings, so Jahola, unterstütze die irakische Regierung den Wiederaufbau nur zögerlich. Der Geistliche forderte mehr internationalen Druck, um die Korruption im Land wirkungsvoll zu bekämpfen.

Für eine „biblische Sicht“ der kirchlichen Situation

Der Leiter eines überkonfessionellen christlichen Netzwerks im Irak, Maher Barbary (Erbil/Kurdistan), plädierte für eine „biblische Sicht“ zur Lage der Christenheit. Es stimme zwar, dass der IS Christen aus großen Teilen des Irak vertrieben habe und immer noch viele Christen aus Angst vor einem sich radikalisierenden Islam das Land verlassen wollen. Dennoch sei es falsch, wenn die Medien nur das Negative herausstellten. Gott selbst habe einen Plan für die zukünftige Kirche im Irak, sagte Barbary. Es zeichne sich ab, dass Christen, die das Land verließen, durch Menschen ersetzt würden, die mehr als traditionelle Christen sein wollten, und durch Konvertiten, die vom Islam zum christlichen Glauben wechselten. Diese Gläubigen seien mutige Leute. Sie brauchten aber positive Rahmenbedingungen, um sich auch politisch engagieren zu können.

Wie soll das künftige Zusammenleben aussehen?

In einem von 17 Seminaren kritisierte der bei der ojcos-Stiftung tätige „Politische Fürsprecher für Religionsfreiheit im Irak“, David Müller (Reichelsheim/Odenwald), dass sich viele Hilfsaktionen an einfachen Lösungen orientierten. Es würden Häuser restauriert und Kirchen neu gebaut, aber kaum gefragt, wie das Zusammenleben in den zerstörten Gebieten aussehen könne. Mindestens genauso wichtig wie die Verteilung von Lebensmitteln und die Vergabe von Kleinkrediten sei es, Vertrauen zwischen ethnischen und religiösen Gruppen aufzubauen und dadurch gegenseitige Ängste und Vorurteile zu beseitigen. „Wer nur Christen Geld gibt, darf sich nicht wundern, wenn Muslime neidisch oder gar feindselig werden“, mahnte Müller. Auch der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz der Bundesregierung, Uwe Heimowski (Berlin), forderte die Hilfswerke zu mehr Zusammenarbeit auf, um Politiker für die Unterstützung ihrer humanitären Anliegen zu gewinnen. Dazu brauchten Parlamentarier differenzierte und belastbare Informationen, aus denen sich ein Gesamtbild der Situation, etwa im Irak, ergebe.

Westjordanland: Versöhnung zwischen Muslimen und Christen

Über ein Beispiel für eine gelingende Versöhnung berichtete der Leiter des christlichen Sozialwerks „Life Gate“ (Tor zum Leben), Burghard Schunkert. Die Organisation unterhält in Beit Jala bei Bethlehem (Westjordanland) eine Einrichtung für rund 250 behinderte Kinder aus christlichen und muslimischen Familien. Die Betreuer gehören ebenfalls beiden Religionen an. Sie zeigten, dass man ohne Berührungsängste miteinander leben könne. Besuche deutscher Israel-Freunde würden von den Mitarbeitern als Anerkennung ihrer Versöhnungsarbeit verstanden.