06.01.2025
Syrien: Christen fürchten um ihre Zukunft
Mehrere Kirchenleiter trafen sich mit dem neuen Machthaber Al-Golani
Damaskus (IDEA) – Die Lage für die christliche Minderheit bleibt nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad weiterhin ungewiss. In der Nacht zum 8. Dezember waren in der Hauptstadt Damaskus Mitglieder der islamistischen Koalition Hai‘at Tahrir al-Sham (HTS) einmarschiert und hatten Assad gestürzt. Unter ihm genossen Christen einen gewissen Schutz. Assads Familie gehört selbst dem als liberal geltenden alawitischen Zweig des Islams an. Der Apostolische Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, berichtete nun gegenüber Vatican News über ein Treffen christlicher Kirchenleiter mit dem neuen Machthaber Abu Muhammad al-Golani am Silvestertag. Al-Golani habe versprochen, dass es ein Syrien für alle und ohne Ausgrenzung geben werde. Zum Hintergrund: Laut Medienberichten hat Al-Golani in den letzten Jahren versucht, sich als gemäßigt darzustellen. In diesem Zusammenhang habe er sich formell von den Terrororganisationen Al-Quaida und „Islamischer Staat“ (IS) losgesagt und wolle nun lieber mit seinem bürgerlichen Namen, Ahmed al-Sharaa, angesprochen werden. Allerdings werden er selbst sowie seine Miliz von den Vereinigten Staaten weiterhin als Terrororganisation gelistet. Die bei dem Treffen an Silvester anwesenden Bischöfe seien dementsprechend verhalten optimistisch, was die Zusicherungen des neuen Regimes angehe, so Vatican News.
Zahl der Christen sinkt weiter
Die ungewisse Situation führe dazu, dass viele überlegten, Syrien zu verlassen. Seit 2011 ist die Zahl der Christen in Syrien nach Informationen von Vatican News von 1,5 Millionen auf aktuell 300.000 zurückgegangen. Der Islamwissenschaftler Matthias Vogt berichtete in einem Interview mit der ARD sogar, dass von nur noch 250.000 verbleibenden Christen auszugehen sei. Unter den Christen in Syrien überwiegt insgesamt noch eine große Skepsis gegenüber den neuen Machthabern. Die nun herrschenden Islamisten hatten ihnen zwar zugesichert, dass sie ihr Weihnachtsfest wie bisher feiern dürften, was auch weitgehend eingelöst wurde. Allerdings hat es nach einem Bericht des Westdeutschen Rundfunks (WDR) dennoch Zwischenfälle, wie die Brandstiftung an einem Weihnachtsbaum in einer Stadt im Westen Syriens gegeben. Die ARD-Korrespondentin Anna Osius (Kairo) wiederum habe von katholischen Christen in Damaskus Berichte über Einschüchterungsversuche gehört. Ihnen sei erklärt worden, dass Weihnachtsumzüge in der Öffentlichkeit nicht erwünscht seien.
Baerbock: Neue Machthaber müssen an ihren Taten gemessen werden
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) ist bereits nach Damaskus geflogen, um sich mit den neuen Machthabern zu treffen. Vor ihrer Abreise kündigte sie in einer Mitteilung die Unterstützung Deutschlands für den Wiederaufbau des Landes an. Einen Neuanfang könne es jedoch nur geben, wenn die Vergangenheit aufgearbeitet und Gerechtigkeit hergestellt werde sowie Racheakte an einzelnen Bevölkerungsgruppen ausblieben. Extremismus und radikale Gruppen dürften keinen Platz haben. „Wir wissen, wo die HTS ideologisch herkommt, was sie in der Vergangenheit getan hat“, so Baerbock. Deshalb müsse man die neuen Machthaber weiter an ihren Taten messen. „Bei aller Skepsis dürfen wir jetzt nicht die Chance verstreichen lassen, die Menschen in Syrien an diesem wichtigen Scheideweg zu unterstützen.“ Man sehe auch den Wunsch nach Mäßigung und Verständigung mit anderen wichtigen Akteuren. So sei die Aufnahme von Gesprächen mit den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ein wichtiges Zeichen in diese Richtung.