07.01.2025
Deutschland: „Antizionisten“ bedrohen evangelischen Pfarrer
Reaktion auf Hamas-Angriff
(israelnetz.com , Von Jörn Schumacher vom 7. Januar 2025) Ein evangelischer Pfarrer drückte im Oktober 2023 seine Trauer über den Hamas-Anschlag wenige Tage zuvor im Süden Israel aus. Ein Mann störte daraufhin den Gottesdienst. Seitdem kommt es immer wieder zu massivem Protest, der bis heute nicht abebbt.
Israelfeindliche Aktivisten haben Pfarrer Ralf Alexander Sedlak und seine Gemeinde der Martinskirche in Langenau ins Visier genommen
Eigentlich tat der evangelische Pfarrer Ralf Sedlak an jenem Sonntag im Oktober 2023 nichts anderes, als in seiner Predigt den Terrorakt der Hamas auf Bewohner im Süden Israels zu erwähnen. Bei ihrem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 hatten Hamas-Terroristen etwa 1.200 Menschen getötet und etwa 240 weitere entführt.
Ein Störer unterbrach durch lautes Rufen den Gottesdienst; bis heute feindet eine Gruppierung den Pfarrer an und behauptet, er sei „Faschist“ und „Zionist“.
Sedlak, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Langenau bei Ulm, sagt gegenüber Israelnetz: Eigentlich habe er in seiner Predigt an jenem 15. Oktober 2023 in seiner evangelischen Martinskirche über das Thema Gebetserhörung gesprochen. „Es ging um schwere Krankheiten, wie Betroffene und Angehörige damit umgehen, und wie sie damit vor Gott kommen.“ In einem zweiten Beispiel sei er dann auf den Anschlag in Israel zu sprechen gekommen, der wenige Tage zuvor die Schlagzeilen dominierte und die Gemüter bewegte. „Auch hier kommen wir an die Grenzen dessen, was wir uns überhaupt vorstellen möchten und wo wir fast sprachlos sind und das Leid vor Gott klagen“, ergänzte Sedlak.
Daraufhin sei ihm ein Mann lautstark ins Wort gefallen, der ihm bisher nicht im Gottesdienst aufgefallen sei, wie Sedlak im Gespräch mit Israelnetz sagt. Der Mann habe gerufen: „Das ist falsch! Die Nachrichten sind Fake News!“ Er habe erst noch versucht, argumentativ dagegenzuhalten, sagt Sedlak, doch das sei aufgrund der Aggressivität des Mannes kaum möglich gewesen. Schließlich sei der Mann von mehreren Mitgliedern des Kirchengemeinderats nachdrücklich gebeten worden, die Kirche zu verlassen. „Das hat er dann nach einigen Einwänden getan“, fügt Sedlak hinzu. Doch damit ließ es der Mann keineswegs auf sich bewenden.
BDS-Gruppe hat es auf die Kirche abgesehen
In Langenau, einer 16.000-Einwohner-Gemeinde etwa 20 Kilometer von Ulm entfernt, sei es danach zu „unklaren“ Vorkommnissen gekommen, wie es Sedlak ausdrückt. Denn ein Zusammenhang zu den Protesten im Gottesdienst ist zwar denkbar, aber nicht gesichert. „In der Neujahrsnacht wurde mit einer Schreckschusspistole auf unser Haus geschossen“, berichtet der Pfarrer. „Es gab zudem einen Drohnenflug um unser Haus, den wir bis heute nicht einordnen können.“
Am 10. März 2024 klebten dann sowohl am Gemeindehaus als auch am Pfarrhaus Aufkleber mit der Aufschrift „Zionist = Faschist“. Ab Karfreitag gab es fast jeden Sonntag bis in die Adventszeit hinein Kundgebungen vor der Martinskirche. „Von der Symbolik orientierten sich diese an der Bewegung ‚Boycott Israel‘“, sagt Sedlak. Unter dem Namen „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) versuchen Israelfeinde seit fast 20 Jahren, den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch zu isolieren.
Bei den so genannten „Mahnwachen“ vor der Kirche seien Slogans wie „Es ist Völkermord. Boycott Israel“, „Gaza. The Palestinian Holocaust“ und Israel sei ein „Kolonialer Siedler-Schurkenstaat“ präsentiert worden. Sedlak ergänzt: „Es wurde auch der Vorwurf erhoben, unsere Kirchengemeinde sei Komplizin des Völkermordes.“ Über Megafon sei das vor der Kirche, aber auch direkt an die Gottesdienstbesucher gerichtet ausgesprochen worden. „Da wurde dann auch behauptet, ich sei ein Nazi und ein Hassprediger“, fügt Sedlak hinzu. „Man solle aus der Kirche austreten und gegen sie vorgehen.“
Solidaritätsbekundungen aus mehreren Ländern
Ironischerweise habe er im besagten Gottesdienst eigentlich ein Kanzelwort des Landesbischofs vorlesen wollen, sagt Sedlak. „So weit bin ich aber gar nicht mehr gekommen.“ Das Kanzelwort habe den Anschlag der Hamas schärfer verurteilt als seine Predigt, sagt der Pfarrer. Für ihn war dann auch klar, dass der Störer eigentlich dieses Kanzelwort, das bereits zwei Tage zuvor im Internet zu lesen war, habe angreifen wollen. So sei auch zu erklären, dass seine Einwände semantisch teilweise gar nicht zu Sedlaks Predigt passten.
„Jeder, der mir vorwirft, sich zu einseitig für Israel zu positionieren – was im Übrigen nicht stimmt –, der trifft in mir den falschen Adressaten, eigentlich habe ich wahrscheinlich noch zurückhaltender formuliert als viele meiner Kolleginnen und Kollegen in Württemberg an jenem Sonntag.“ Sedlak fügt hinzu: „Was mich getroffen hat, hätte also jeden anderen Kollegen meiner Kirche treffen können.“
Am 7. Dezember 2024 führte dann eine israelfeindliche Demonstration durch Langenau: Etwa 150 Aktivisten, die größtenteils von außerhalb gekommen waren, riefen Sprüche wie „Zionismus ist Terrorismus“ und „Zionismus ist Faschismus“. Sedlak sagt: „Es wurde auch gerufen: ‚Vom Fluss bis zum Meer…‘ Die Polizei schritt nicht ein.“
Vor der Kirche riefen Demonstranten: „Blut, Blut, Blut an euren Händen! Shame on you.“ Dann wurden die Namen Sedlaks und seiner Kollegin Rebekka Herminghaus, Pfarrerin Leonhardskirche mit Wettingen, ausgerufen. Mitte Dezember tauchten an der Martinskirche sowie am Rathaus in Langenau antisemitische Schmiereien auf, darunter die Slogans „Boycott Israel“ und „Juden vergasen“. Jetzt ermittelt der Staatsschutz des Landes Baden-Württemberg, wie das Polizeipräsidium Ulm mitteilte.