15.05.2025

Irak: Zahl der Christen dramatisch gesunken

Einheimische Christen befürchten das langsame Aussterben ihrer Gemeinschaft im Land

(Open Doors, Kelkheim) – Die Christen im Irak verlieren an Boden. Das betrifft zum einen ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung; es gilt aber oft auch im wahrsten Sinne des Wortes, wenn ihr Land von Nichtchristen übernommen wird. Viele von ihnen sprechen von einem „demografischen Wandel“. Was ist damit gemeint? Wie kommt es dazu und was sind die Folgen für die Christen? Darüber sprachen kürzlich Mitarbeiter von Open Doors mit mehreren Christen in der Region.

„Gezielte Veränderung der Bevölkerungsstruktur“

Die meisten der im Irak verbliebenen Christen leben in der sogenannten Ninive-Ebene, die sich nördlich, nordöstlich und südöstlich der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul erstreckt. Überall sieht man Kirchengebäude, Klöster und kirchliche Einrichtungen – Kennzeichen der langen Geschichte der Christen in diesen Gebieten, die bis in die ersten Jahrhunderte zurückreicht. Landbesitz hat in der landwirtschaftlich geprägten Region große Bedeutung. Der Besitz der Christen weckt seit Langem Begehrlichkeiten, insbesondere bei Gruppen und Akteuren, die dem Nachbarland Iran nahestehen.

Habib* ist um die 60, als Rechtsexperte und Berater setzt er sich für seine christlichen Landsleute ein. Angesprochen auf den demografischen Wandel im Irak spricht er von einer „gezielten Veränderung der Bevölkerungsstruktur durch die Regierung oder bestimmte Gruppierungen“.

Dieser Wandel zulasten der Christen setzte bereits in den 1980er-Jahren während des Iran-Irak-Krieges ein. Saddam Hussein enteignete zahlreiche Christen in der Ninive-Ebene, um ihre Ländereien seinen Soldaten und den Angehörigen gefallener Soldaten zu geben. Nach dem Sturz des Saddam-Regimes im Jahr 2003 kam es zu einer Welle der Gewalt gegen Christen im ganzen Land. Zeitweilig waren Entführungen, Morde und Vertreibungen an der Tagesordnung. Viele suchten Zuflucht in der Ninive-Ebene. Doch dort kauften Angehörige der schiitischen Volksgruppe Schabak immer mehr Land von Christen und begannen schließlich, ehemals christliche Dörfer wie Bartella zu dominieren. „Schabak betrachten Christen in diesen Gebieten als ein Hindernis für ihre expansionistischen Träume. Sie belästigen und schikanieren Christen. Sie wollen sie so verunsichern, dass sie bereit sind, ihr Land zu verlassen“, erklärt Habib.

Pater Muayad* ergänzt: „Anderswo in der Ninive-Ebene versuchten sie dasselbe, aber die Kirche griff ein. Deshalb ist in Karakosch das meiste Land immer noch im Besitz von Christen.“ Sowohl Pater Muayad als auch Habib sind sich einig, dass die Schabak „einen systematischen Plan“ haben, um die Region zu dominieren.

Ortschaft Tel Keppe: Von 5.000 auf 150 Christen

Eine weitere Welle der Gewalt und der Vertreibungen traf die Christen mit dem Auftreten des IS im Jahr 2014. Erneut flohen Tausende aus dem Irak. Andere Gründe für die schrumpfende christliche Bevölkerung sind die wirtschaftliche Situation und der Mangel an Arbeitsmöglichkeiten für Christen sowie diskriminierende Gesetze. Aus dem Dorf Tel Keppe, dem Zentrum des gleichnamigen Distrikts, ist fast die gesamte christliche Bevölkerung verschwunden. Derzeit gibt es dort nur noch etwa 150 Christen, verglichen mit rund 5.000 im Jahr 2014. Im ganzen Land sank die Zahl der Christen inzwischen von etwa 1,5 Millionen Anfang der 1990er-Jahre auf kaum mehr als ein Zehntel davon.

Dankbar sagt Pater Muayad, dass er sich immer an die Unterstützung erinnern wird, die die irakischen Christen von der weltweiten christlichen Gemeinschaft während der Zeit der Vertreibung in den IS-Jahren erhalten haben. „Wer sonst hätte uns mit Nahrung, Wasser, Unterkunft und anderen Grundbedürfnissen unterstützt?“ Habib fügt hinzu: „Sie hatten und haben immer noch eine große Rolle bei der Unterstützung unserer Gemeinschaft. Ich spüre ihre Gebete für uns, sie sind sehr ermutigend!“

Auf dem Weltverfolgungsindex 2025 steht der Irak an 17. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.

*Name geändert