07.04.2021

Deutschland: Waldenser als Glaubensflüchtlinge in Württemberg

Das Stuttgarter Bibelmuseum bibliorama hat anlässlich des 300. Todestags des Waldenserpfarrers Henri Arnaud (1643–1721) eine Sonderausstellung über die Waldenser in Württemberg eingerichtet. IDEA-Redakteur Daniel Scholaster hat sie besucht. 

Die Waldenser verstehen sich selbst als älteste reformatorische Kirche. Ihr Gründer, der aus Lyon stammende Wanderprediger Petrus Waldes, forderte im 12. Jahrhundert eine Kirche, die auf Privilegien und Reichtum verzichtet. Am Wormser Reformationsdenkmal ist er deshalb sitzend am Sockel des Luther-Standbilds dargestellt. Seine Bewegung wurde von der kirchlichen Obrigkeit seiner Zeit jedoch bekämpft und verfolgt. Ihre Anhänger mussten sich in schwer zugänglichen Alpentälern verstecken. Im Jahr 1532 schlossen sich die verbliebenen Waldenser dem reformierten Zweig der Reformation an. Ende des 17. Jahrhunderts setzte eine neue Verfolgungswelle ein. Der französische König Ludwig XIV. (1638–1715) ließ alle Protestanten aus seinem Land verbannen. Er zwang auch den Herzog von Savoyen, es ihm gleichzutun. In dessen Territorium hatten viele Waldenser Schutz gesucht. Nun mussten sie erneut nach einer neuen Heimat suchen. Ihr Führer war Pfarrer Henri Arnaud. Es gelang ihm, für sich und seine Glaubensbrüder Aufnahme in Württemberg zu finden. Der damalige Herzog suchte Siedler für sein durch den Dreißigjährigen Krieg entvölkertes Land. Zwischen Mühlacker und Leonberg entstanden mehrere Dörfer, in denen sich Waldenser niederließen. Die aktuelle Sonderausstellung im bibliorama erzählt ihre Geschichte. 

Neue Heimat in Württemberg

Unter den gezeigten Exponaten fallen die Bibelübersetzungen in französischer Sprache auf. Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg (1676–1733) gestattete den Flüchtlingen, ihre eigenen Traditionen zu bewahren und ihre Gottesdienste in französischer Sprache zu feiern. Das führte dazu, dass die Neuankömmlinge lange Zeit unter sich blieben und nur untereinander heirateten. Noch heute gibt es Nachfahren der ersten Siedler, die französische Nachnamen tragen, und mehrere Orte, die von ihnen gegründet wurden, wie Pinache bei Mühlacker oder Perouse bei Leonberg. Zu Beginn genossen die Waldenser noch besondere Privilegien und waren von der Steuer befreit. Die Hoffnung des Herzogs, dass die Siedler Seidenraupen züchten würden, erfüllte sich jedoch nicht. Dafür war es in ihrer neuen Heimat zu kalt. Im Jahr 1823 wurde der Sonderstatus der Waldenser wieder aufgehoben. Sie wurden in die lutherische Landeskirche eingegliedert. Der Gebrauch des Französischen im Gottesdienst war von nun an untersagt. 

Die Bibel im Zentrum

Die Waldenser teilten mit den stark vom Pietismus geprägten lutherischen Christen in Württemberg die Liebe zur Bibel. Deshalb war es ihnen so wichtig, sie in ihrer eigenen Sprache lesen zu können. „Wenn Menschen die Bibel für sich entdecken, hat das immer Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen und die Gesellschaft“, meint die Direktorin des Bibelmuseums, Franziska Stocker-Schwarz. Diese Wertschätzung des Wortes Gottes sei ein wertvolles Erbe der Waldenser, auch wenn ihre Zahl heute gering sei. In Deutschland gehören viele von ihnen zur Deutschen Waldenservereinigung, die 1936 gegründet wurde und insbesondere das kulturelle Erbe der Waldenser erhalten will. Heute ist die Waldenserkirche vor allem in Italien und Südamerika mit mehreren zehntausend Mitgliedern aktiv. Die Ausstellung ist noch mindestens bis zum 24. Oktober zu sehen. Da das Museum jedoch wegen der geltenden Hygienebestimmungen zwischenzeitlich wieder schließen musste, ist bereits eine Verlängerung im Gespräch.