02.12.2020

Nigeria: „Konvertitin“ vom Zorn zur Versöhnung bemüht sich um den religiösen Frieden im Lande

Die Ordensschwester Agatha Chikelue geht den Schwierigen Weg zum Frieden

Nigeria: „Konvertitin“ vom Zorn zur Versöhnung bemüht sich um den religiösen Frieden im Lande

Religiös begründeter Gewalt in Nigeria (wir berichteten) ist seit Einführung der Scharia im März 2002 ein wachsendes Problem.

AKREF/Tübingen/2.12.2020. Wie das Schwäbische Tagblatt (STB) mit einem Beitrag von Elisabeth Zoll in der Ausgabe von heute berichtet, terrorisieren Islamisten von Boko Haram den Norden des westafrikanischen Landes und schüren den Hass zwischen Christen und Muslimen. Aber das ganze Land ist aufgewühlt. Die mutige Ordensschwester Agatha Chikelue halten mit einer Gruppe von ebenso mutigen Frauen dagegen. Sie versuchen zu vermitteln.

Ihr Land steht vor riesigen Herausforderungen: „Der Terror der islamistischen Fanatiker von Boko Haram, die vor wenigen Tagen erneut Dörfer überfallen und dutzende Menschen ermordet haben, die bodenlose Misswirtschaft und Korruption sowie die Unfähigkeit der Politik, Konflikte friedlich zu lösen“, so das STB.

Die Zeitung zeigt Hintergründe auf: „Seit Wochen brodelt es in Städten wie Abuja und Lagos. Trotz Ausgangssperre ziehen immer wieder tausende junge Menschen durch die Straßen. Mit Sprechchören und Schildern fordern sie das Ende von „SARS“. In Nigeria stehen die vier Buchstaben aber nicht für ein Virus, sondern für die „Special Anti-Robbery Squad“, eine Spezialeinheit der Streitkräfte, die wie eine Räuberbande agiert…Auch wenn die Spezialeinheit inzwischen aufgelöst ist, gehen die Proteste weiter. Zu groß ist der Frust vieler Nigerianer, dass das ölreiche Land Geld nur in die Taschen weniger Reicher spült, dass Natur und Umwelt gnadenlos ausgebeutet werden und selbst gut ausgebildete junge Menschen keine Chance auf Einkommen und Zukunft haben.“

Präsident Muhammadu Buhari schickt Bewaffnete auf die Straße, um mit Gewalt die weitgehend friedlichen Proteste zu ersticken. Immer mehr Tote sind zu beklagen. Diese Unfähigkeit der Politik treibt Schwester Agatha Chikelue auf die Palme, schreibt die Zeitung: „Anstatt sich den realen Problemen zu stellen, werde versucht, den berechtigten Protest der Bevölkerung religiös zu missbrauchen. So werde das Gerücht gestreut, bei den Protesten gehe es Christen nur darum, die Regierung des muslimischen Präsidenten zu stürzen. Das heizt die Stimmung an.“

Der über ein Jahrzehnt wütende Terror der islamistischen Boko Haram hat Gift zwischen den Christen und Muslimen versprüht, die jeweils rund die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Das land ist am Rande: Kirchen brennen, Moschee werden geschändet, Menschen werden zu Tausenden vertrieben und niedergemetzelt. 

Eine Schwester, die keine Angst vor Islamisten hat

Agatha Chikelue kennt Gewalt und Spannungen. Sie sei eine „Konvertitin“, sagte sie vor einem Jahr beim Welttreffen der „Religionen für Frieden“ in Lindau der „Zeit“: Übergetreten vom Zorn zur Versöhnung, vom Misstrauen zum Vertrauen, vom Religionshass zum Religionsfrieden. In diesem Jahr war sie wie hunderte Frauen aus 90 Ländern digital zugeschaltet zum Weltbund „Religions for Peace“, der seinen Fokus auf den spezifischen Blick von Frauen auf politische Führung und Führungsverantwortung legte. Zwar sind fast alle Weltreligionen männerdominiert, die Gemeinden aber leben vom Einsatz der Frauen.

Sie leitet die „Cardinal-Onaiyekan-Foundation for Peace“ in der Hauptstadt Abuja und ist Co-Vorsitzende des „Women of Faith Network“, einem Zusammenschluss nigerianischer Frauen mit unterschiedlichem kulturellem und religiösem Hintergrund. Dabei setzt sie auf Religion als Instrument für Frieden. Frieden im Land sei nur möglich, wenn es gelinge, Frieden und Dialog unter den Religionen zu schaffen. Angst vor Islamisten hat sie nicht. Auch von Vorbehalten auf christlicher Seite lässt sie sich nicht bremsen.

 

Als sie in der Hochphase von Boko Haram 2010 mit der Friedensarbeit begonnen hat, seien Begegnungen zwischen Christen und Muslimen extrem schwierig gewesen. Das gilt auch im aktuellen Konflikt.  Die Frauen der Friedensbewegung sind auf die Regierung und auf die Demonstranten zugegangen. Sie suchten Wege zum Frieden: „Unser Ziel ist, dass die jungen Menschen ihre Beschwerden gegenüber der Regierung vorbringen können. Dafür müssen die Jugendlichen im Gegenzug die Regierung respektieren.“

Die STB schreibt: “Die Stimme religiöser Führer hat in Nigeria Gewicht. Sie kann Zwietracht säen oder zur Verständigung rufen. ‘Ich sage nicht, dass Gewalt nicht auch von Religionen ausgehen kann’, sagt Agatha Chikelue. Das passiere dann, wenn ‘die Werte der Religion missbraucht werden’.”

Weiter fragt die Autorin: “Doch ist der Glaube an die Kraft des Dialogs nicht naiv? Agatha Chikelue widerspricht energisch. ‘Was hat die Regierung mit ihrem Militär in all den Jahren gegen Boko Haram ausgerichtet?’, fragt sie mit ihrer dunklen Stimme. Einzelne Bäume habe der Militärapparat gekappt. Geblieben seien die Wurzeln der Probleme. Und damit auch die Terror­organisation Boko Haram.” Lieber vertraut sie ihrem eigenen inneren Kompass. So kann man in der Signatur in ihren Mails in grüner Farbe ihren Wahlspruch lesen: „Whatever Hate can do; Love can do it better.“ Was immer mit Hass erreicht werden kann; die Liebe vermag mehr.

Quellen: https://stb-de.newssquare.de/ePaper?date=2020-12-337&edition=9&article=179739

https://www.kaiciid.org/de/was-wir-machen/kaiciid-international-fellows-programm/rev-sr-agatha-ogochukwu-chikelue

https://berkleycenter.georgetown.edu/people/agatha-chikelue